Samstag, 29. September 2007

Särge in Leinen und Leder - Reclam vs. Werksausgabe

Unglaublich, aber ich hänge einmal wieder 2 Wochen hinter der aktuellen Ausgabe der ZEIT zurück. Aber besser zu spät als nie. Ulrich Greiner beschreibt in seiner den Literaturteil einleitenden Glosse 'Särge in Leinen und Leder' (Die ZEIT, 38/2007) das 'Drama' der deutschen Gesamtausgaben. Kein deutscher Dichter und Autor (zum Teil auch schon die lebenden) ohne -- mitunter historisch-kritisch kommentierter -- Gesamtausgabe seiner Werke. Sie sind -- so Greiner -- der ganze Stolz ihrer Herausgeber, Verleger, aber auch Besitzer. Allerdings eignen sie sich nicht unbedingt als leichte Reiselektüre oder Reclamheftersatz für die Schullektüre der Tochter.

Zwiespältige Sache, aber im Bücherschrank macht sich das Prunkstück natürlich recht gut aus. Doch -- und das scheint das Schicksal der meisten Gesamtausgaben -- dient sie Zeit ihres Lebens doch eher als Repräsentations- und Dekorationsobjekt (siehe Möbelhäuser, Stichwort 'hohle' Gesamtausgaben), denn als Lektüre. Druckfrische Gesamtausgaben -- ebenso wie besonders prächtig ausgestattete -- haben in der Regel ihren (nicht zu unterschätzenden) Preis. Daher stammt eventuell wohl auch die Scheu, die Wertanlage durch häufiges Lesen zu 'zerlesen'. Ich würde auf alle Fälle einer Tochter den Band aus Lessings in Leder gebundener Gesamtausgabe (wohlmöglich noch mit Goldschnitt, etc.) nicht als Schullektüre mit auf den Weg geben. Erinnern wir uns doch mal an unsere Schullektüren. Die ganz vorsichtigen Zeitgenossen unter uns unterstrichen und kommentierten diese lediglich mit Bleistift. Aber welche Blüten die oft im Deutschunterricht gepflegte Langeweile treibt, zeigen die folgenden Cover-Kunstwerke aus dem Deutschunterricht aus der Ausstellung "Von Theodor Fontane zu Theodors Fontäne" (aus der Frankfurter Rundschau).

Andererseits, wer nicht unbedingt die aktuellste (historisch kritisch kommentierte) Gesamtausgabe eines (am besten schon verblichenen) Autors erwerben möchte, um diese tatsächlich zu lesen, dem sei -- wenn er seine Geldbörse schonen möchte und eventuell auch keine Bedenken gegenüber (ideologisch unbelasteter) Frakturschrift hat -- die Kategorie 'Bücher - Buchpakete, Werkausgaben, etc.' bei Ebay anempfohlen. Sicher, eine derzeit noch im Handel befindliche Gesamtausgabe wird auch nicht bei Ebay automatisch zum Schnäppchen. Gibt man sich aber mit einer zwischen 1900 und 1950 erschienenen Ausgabe zufrieden (wobei dann natürlich die noch lebenden Autoren ausscheiden müssen), gelingt es einem leicht, eine günstige Gesamtausgabe zu erwerben. Oftmals sind dann dabei die Portokosten höher als der Auktionspreis ;-)

Naja...ist das gute Stück erst einmal erworben, dann sollte es denn auch gelesen werden. Denn als Repräsentations- und Dekorationsobjekt sind Bücher doch viel zu schade...und das wissen auch die Möbelhäuser, denn dort sind die Dekostücke -- wie schon bemerkt -- innen hohl....

Samstag, 22. September 2007

Wie alt ist eigentlich die Welt..? - Bill Bryson: Eine kurze Geschichte von fast allem

Tja...wie alt ist denn nun eigentlich die Welt...? Und vor allem, wie kann man das überhaupt herausfinden? Wie kommt man darauf, ob es sich um tausende, millionen oder gar um milliarden Jahre handelt...? Dies ist eine der Ausgangsfragen, denen sich Bill Bryson -- eigentlich ja ein Reiseschriftsteller -- in seinem Bestseller 'A Short History of Nearly Everything / Eine kurze Geschichte von fast allem' widmet -- und diesmal nimmt er uns mit auf eine Bildungsreise. Fragen, die für ein grundlegendes Verständnis unserer Welt - und der Naturwissenschaften - unerlässlich sind, um deren Antwort wir uns in unserem Alltag aber kaum scheren.

Aber halt, das Buch bietet ja noch viel mehr. Es fängt tatsächlich mit DER WELT als Ganzes an, d.h. dem Kosmos (den schon Alexander von Humboldt als Titel für sein epochales Werk wählte...übrigens auch sehr zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang auch Daniel Kehlmanns Roman 'Vermessung der Welt', der hier schon besprochen wurde). Es beginnt also mit dem Universum, unserem Sonnensystem, unserer und der Geschichte ihrer Entdeckung und 'Vermessung'. Wie groß ist die Welt? Eratosthenes von Kyrene lag im 3. Jahrhundert vor Chr. mit seiner ersten Abschätzung -- er verglich den Schattenwurf an zwei verschiedenen Orten und schloß darauf auf den Erdumfang -- gar nicht so schlecht. Von der Astronomie und Astrophysik führt uns Bryson auch in die Welt der kleinsten Dinge. Moleküle (und die Gesetzmäßigkeiten der Chemie), Atome, Quarks und Quantenmechanik sind ebenso dabei wie Einsteins Relativitätstheorie. Wir werden Zeuge der Entwicklung der Geologie als Wissenschaft und schließlich gelingt es uns sogar nachzuvollziehen, wie das Alter der Erde (und des uns bekannten Universums) abgeschätzt bzw. bestimmt werden kann. Eine kleine Frage zu deren Beantwortung diverse Wissenschaftsdisziplinen beitragen mussten, um sie zu beantworten.

Aber neben den Wissenschaften der unbelebten Dinge steht auch das Leben ansich auf dem Programm. Wie kommt es dazu, dass aus unbelebter Materie Leben entstehen kann und wie verlief die Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten? Biologie und Paläontologie stehen ebenso auf dem Programm wie Carl von Linnés Taxonomie des Lebens (hier ein Blogbeitrag zum Thema aus more semantic...!) mit der er die systematische Erforschung der Vielfalt und des Artenreichtums unseres Planeten ermöglichte.

Und schließlich der Mensch. Darwin, der über seine Arbeiten über die Entwicklung der Arten die Grundlagen der Evolutionstheorie legte und der daraus entstehende Disput, ob der Mensch vom Affen abstammt. Auch der Neanderthaler und andere Vorfahren des Menschen werden uns nähergebracht. Aber das Buch versäumt auch nicht den mahnenden Zeigefinger zu heben, wenn im letzten Kapitel die vom Menschen verursachte Ausrottung ganzer Spezies angeprangert wird. Der Dodo auf Mauritius, dessen Existenz Ende des 17. Jahrhunderts ohne triftigen Grund komplett ausradiert wurde, so dass heute nurmehr 'Knochenfragmente' und ein Ei von ihm erhalten sind. Aber auch die zahllosen anderen Arten, die tagtäglich und ohne großes Aufsehen von unserem Planeten -- durch unsere eigene Schuld -- verschwinden. Nach der Lektüre des Buches sollte klar sein, dass man solch ein einmaliges und fragiles System wie unsere Welt mit Sorgfalt behandeln sollte, denn sonst sind wir vielleicht selbst schon bald Geschichte...

Eigentlich klingt die Beschreibung dieses Buches bis jetzt als wäre es nichts anderes als wieder einmal eine populärwissenschaftliche Darstellung der kompletten Naturwissenschaften. Aber Bill Bryson gelingt dies auf eine äußerst unterhaltsame Weise. Immer wieder werden wir aus der geschichtlichen Perspektive an die einzelnen Themen herangeführt. Und die Geschichte(n) einer Entdeckung oder Entwicklung sind mindestens genauso spannend wie diese selbst. Mehr noch, aus dieser historischen Perspektive erlebt man den Prozess der Entstehung neuer Wissenschaften und Theorien mit und verfolgt diese vom Standpunkt der Zeitgenossen aus. Das trägt zum einen wesentlich zum Gesamtverständnis bei und sorgt zudem auch noch für Unterhaltung -- zumal Bryson immer wieder mit entsprechenden (humorvollen) Anekdoten für Abwechslung sorgt. Besonders gefallen hat mir dabei immer die Beschreibung der (vornehmlich britischen) Exzentriker, die nebenbei auch noch große Naturwissenschaftler waren. Dabei lernen wir auch noch verstehen, dass jeder neue Theorie -- und sei sie noch so offensichtlich -- zunächst immer Steine in den Weg gelegt werden -- und das aus den verschiedensten Gründen.
Um noch einmal auf Alexander von Humboldt zurückzukommen...ihm zur Folge durchläuft jede wissenschaftliche Entdeckung drei Phasen: Als erstes wird allgemein abgestritten, dass sie wahr sein könnte, dann wird geleugnet, dass die Entdeckung irgendwie bedeutend sein könnte, und zu guter letzt wird sie der falschen Person angerechnet, die dafür gefeiert wird....

Fazit: Wenn man sich schon immer mal einen Überblick über die Naturwissenschaften verschaffen wollte -- und dabei auch an den beteiligten Wissenschaftlern als Person interessiert ist -- aber auch wenn man wissenschaftliche Anekdoten liebt, ist man mit diesem Buch gut beraten. Zudem -- und das ist bei populärwissenschaftlichen Büchern eher selten -- wartet das Buch mit einer fundierten Bibliografie auf. Ich selbst habe die englische Originalversion gelesen und fand sie wirklich sehr unterhaltsam. Also, auf alle Fälle lesen!

Links:

  1. more semantic...! : Taxonomy...it's a battleground

  2. more semantic...!: Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt

  3. Rezension zu Bill Brysons Kurze Geschichte von fast allem in Literaturschock

  4. Rezension zu Bill Brysons Kurze Geschichte von fast allem bei perlentaucher.de


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Montag, 17. September 2007

Edgar Allan Poe: Das verräterische Herz

Schon immer haben mich die Geschichten von Edgar Allan Poe fasziniert. Schon als Kind, als ich sie noch gar nicht selbst gelesen hatte. Interessanterweise kam ich zu Poe über das Plattenregal im Kaufhaus. Dort stand nämlich ein überaus interessantes Album...ja, damals gab es noch 'Langspielplatten' (LPs) und anstelle des kleinen 'CD-Booklet' (in Zeiten von iTunes sicher auch bald nur noch eine schattenhafte Erinnerung...) war deren Verpackung oft wesentlich aufwändiger gearbeitet. So manches Album konnte man aufklappen und durchblättern. So auch dieses von 'The Alan Parsons Project' mit dem Namen 'Tales of Mystery and Imagination' (natürlich in Anlehnung an die Geschichten von Poe...übrigens ist dort Orson Welles zu hören, wie er Poe rezitiert...). Was mich daran faszinierte war weniger die Musik als die Fotos und die literarischen Referenzen im 'Album-Booklet', die allesamt auf berühmte Poe-Geschichten verwiesen. Auf alle Fälle für mich ein Glücksgriff, da ich daraufhin unsere Stadtbücherei nach allem auffindbaren Gedruckten von Edgar Allan Poe durchpflügte...

Das verräterische Herz ist dabei eine überaus spannende und emotional mitreisende Geschichte. Der Ich-Erzähler erzählt uns von einem Mord an einem alten Mann und wie er die Leichenteile -- insbesondere das Herz -- unter den Dielen des Hauses versteckt. Als die Polizei eintrifft, um Erkundigungen über ein eventuell begangenes Verbrechen einzuholen, kommt es zur Katastrophe....

Eine der eindringlichsten Geschichten Poes, die es auch schon als One-Man-Show im Theater zu sehen gab, und die auch als Hörbuch sehr zu empfehlen ist (insbesondere die in der Originalversion vorliegende 'Edgar Allan Poe Collection' [siehe unten] mit den beiden grandiosen wie genialen Sprechern Basil Rathbone und Vincent Price [der auch in zahlreichen Poe-Verfilmungen von Roger Corman gespielt hat]).

Der Grund, warum ich diese Geschichte heute als erste aufgreife, ist ein Foto-Projekt zum Thema Poe, das ich zusammen mit Anja im Oktober vergangenen Jahres begonnen habe. Es geht darum, die Geschichten Poes in Szene zu setzen. Aber natürlich nicht nur irgendwie... ;-) Die Idee dahinter ist die folgende: Nehmen wir das 'Verräterische Herz'. Der Ich-Erzähler wird von allen immer als 'männlich' gesehen, da die Geschichte ja auch von einem Mann geschrieben wurde. Aber das muss nicht so sein. Warum nicht einmal -- neben Poes bekannten Frauenfiguren -- auch die anderen Geschichten mit Frauen als Protagonisten umsetzen...? So geschehen mit der ersten Geschichte 'The Tell-Tale Heart' im August mit unserem Model Sara, die es verstand, trotz der Widrigkeiten (ein 2 kg Rinderherz, jede Menge Filmblut....und schließlich auch noch eine Blasenentzündung), die Stimmung congenial umzusetzen (siehe Foto).
...Wer mich auch jetzt noch für wahnsinnig hält, wird den Gedanken endgültig aufgeben müssen, wenn ich ihm erzähle, mit welch weiser Vorsicht ich den Körper verbarg. Die Nacht begann zu schwinden, und ich arbeitete in schweigender Hast...
Weitere interessante Kurzgeschichten stehen noch auf dem Programm und ich werde berichten....

Links:

  1. E. A. Poe: Das verräterische Herz in deutscher Übersetzung bei Projekt gutenberg.de

  2. E. A. Poe: The Tell-Tale Heart im Original

  3. The Tell-Tale Heart im 'The Poe Decoder' inkl. Interpretation, Materialien, weiterführender Literatur...


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Mittwoch, 12. September 2007

Wie Umberto Eco Unsterblichen bei der Berufswahl unter die Arme greifen würde: Elisabeth Kostova - Der Historiker

Es wird Herbst. Irgendwie führt jetzt kein Weg daran mehr vorbei. Alles Ignorieren hat ein Ende, wenn der (sonst gepflegte) Rasen in einem braunen Blättermeer zu ertrinken droht und die überreifen Eicheln und Kastanien es nahelegen, die (manchmal noch sonnigen) Alleen nur noch mit Schutzhelm entlang zu schlendern (...ihr glaubt gar nicht, was für eine Gewalt in solch einer herabfallenden Eichel -- Eichen können ziemlich hoch werden -- steckt...so geschehen an meinem ersten Tag hier in Potsdam...). Aber irgendwie passt dieses Wetter und diese Stimmung gut zu dem Roman, den ich heute besprechen möchte: Elisabeth Kostovas "Der Historiker".
Vollmündig als 'Bester Historienthriller seit Umberto Ecos Name der Rose' angekündigt hatte ich natürlich große Erwartungen in das Erstlingswerk Elisabeth Kostovas gesetzt, das den Mythos 'Draculas' in neuem Gewand erzählt.

Eigentlich beginnt alles recht harmlos. Die Erzählerin schildert Begebenheiten aus ihrer Kindheit in den 70er Jahren, in denen Sie mit ihrem Vater, einem Historiker, quer durch Europa reist. Als sie beim Stöbern in der väterlichen Bibliothek auf ein Bündel alter Briefe stößt (Bram Stoker lässt grüßen...), die mit den Zeilen "An meinen bedauernswerten Nachfolger" beginnen, gerät sie einem Geheimnis auf die Spur, das sie Zeit ihres Lebens verfolgen soll. Es geht zunächst um die Geschichte ihres Vaters, wie er in den 50er Jahren als Student versucht, dem mysteriösen Verschwinden seines Doktorvaters Professor Rossi (von dem die besagten Briefe stammen) unterstützt von dessen Tochter auf die Spur zu kommen. Als Historiker kam Prof. Rossi bereits in den 30er Jahren (3. Handlungsstrang) bei seinen Forschungsarbeiten mit der Geschichte um 'Vlad Tepes', dem Wojwoden der Walachei, dem Schrecken der Türken, genannt 'Vlad der Pfähler' besser bekannt als 'Vlad Dracula' in Berührung und geriet auf die Spur eines verhängnisvollen Geheimnisses...

Elisabeth Kostova führt uns bei ihrer 'Schnitzeljagd' quer durch Osteuropa. Jugoslawien, Ungarn, Bulgarien und die Türkei stehen auf dem Programm und man merkt deutlich, wie sehr der Autorin diese Weltgegend und ihre Bewohner ans Herz gewachsen sind. Dabei beschränkt sich die jeweilige Schilderung (mit Ausnahme des Handlungsstranges in den 30er Jahren) auf die kommunistische Ära, was sie nicht weniger liebenswürdig macht. Auch wartet der Roman mit einer Vielzahl (anscheinend wohlrecherchierter) historischer Fakten und Geschichten rund um Konstantinopel (die Eroberung der Stadt durch die Türken im Jahre 1453) und das alte Byzantinische Reich (als legitimer Nachfolger Roms) auf, die heute nicht unbedingt mehr zu unserem Bildungskanon zählen und daher mitunter hochinteressant sind.

Der fantastische Anteil des Romans (es geht ja schließlich um Vampire) hält sich dabei sehr in Grenzen, ebenso wie der Roman ohne großes Blutvergießen auskommt. Hauptgegenstand und Leitmotiv ist die 'Schnitzeljagd' nach Draculas Grab durch Bibliotheken, Klöster und Archive, die die Protagonisten aller Handlungsstränge und Zeiten durch ganz Osteuropa treibt und (Gott sei Dank) dabei (mehr oder weniger) auf dem Boden der Realität bleibt. Dennoch -- und das macht die ganze Sache sehr spannend -- geschehen mysteriöse Dinge, deren Aufklärung der Leser entgegenfiebert.

Dracula wird als historische Persönlichkeit geschildert ebenso wie der tatsächlich existierende und in Osteuropa beheimatete Vampyrglaube (Untote, die an sich kein 'Blut' trinken sondern eher den Hinterbliebenen in der Art eines Albtraums erscheinen...siehe hierzu auch einen hervorragenden Vortrag aus der Abteilung Slawistik).
(ACHTUNG SPOILERWARNUNG:::JETZT NICHT WEITERLESEN) Als Dracula dann endlich in Erscheinung tritt.....wen wundert's.....ist er ebenfalls ein 'Historiker'. Womit sonst auch soll ein Untoter (=Unsterblicher) seine Zeit verbringen, als sich mit (teils erlebter) Geschichte zu befassen und dabei seiner Sammel- und Archivleidenschaft zu fröhnen. (SPOILERENDE:::HIER WIEDER WEITERLESEN)
Aber keine Sorge, es wird noch weitaus dramatischer.

Das Buch ist überaus unterhaltsam geschrieben, auch wenn mich dieses Cliffhanger-Konzept beim Abwechseln der unterschiedlichen Handlungsstränge irgendwann mal in den Wahnsinn treibt. Aber -- Kostova hat ganze Arbeit geleistet. Alle Handlungsstränge und Knoten werden zuverlässig und widerspruchsfrei aufgelöst -- eine Kunst, die nur die wenigsten Autoren mit solcher Leichtigkeit vollbringen, wie es hier der Fall ist. Das Buch macht eigentlich Lust auf mehr, d.h. auch auf einen Besuch in den dort geschilderten Metropolen Osteuropas (insbesondere Budapest und Istanbul). Der Vergleich mit Umberto Eco ist nicht ganz verkehrt. Kostova gelingt eine gute Mischung zwischen Thriller und Historie -- auch wenn sie es nicht mit Ecos sprachlicher Gewandheit und philosophischem Hintergrund aufnehmen kann. Aber das Buch hat keine Fußnoten (was ich persönlich bedaure, da ich ein großer Fan von Fußnoten bin und Hinweise auf Quellen und Fakten -- auch wenn sie manchmal wie bei Eco lediglich erfunden sind -- liebe).

Fazit: Der Historiker ist ein verdammt spannender Historien-Thriller nicht nur für Liebhaber des Phantastischen und verspricht auf alle Fälle einige lange (aber bestimmt nicht langweilige) Herbstabende. LESEBEFEHL! ... am Besten bei trüben Regenwetter vor dem offenen Kamin.

Links:

Sonntag, 9. September 2007

Bibliotheken als Kathedralen des Wissens

Im vorangegangenen Beitrag stand der verherende Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek mit ihrem weltberühmten dreigeschossigen Rokokosaal vor drei Jahren im Mittelpunkt. Aber rund um den Globus existieren zahlreiche weitere 'Büchertempel' in denen der bibliophilen und bibliothekarischen Leidenschaft Tribut gezollt wird. Im 'Librophiliac Love Letter' wurde eine ganze Foto-Galerie wunderschöner alter Bibliotheksbauten zusammengetragen, die einen ins Schwärmen geraten lassen.

Auch wenn ich nur die wenigsten dieser 'Kathedralen des Wissens' mit eigenen Augen gesehen habe, stehen sie doch als 'must-see' auf alle Fälle auf dem Besuchsprogramm, sollte es mich in einen der genannten Orte verschlagen...

Suzallo Library, Seattle, Washington

Biblioteca di Belle Arti Milano

Trinity College Library,
aka 'The Long Room', Dublin, Ireland
Biblioteca Geral de Universidade de Coimbra, Coimbra, Portugal

weitere Links:
  1. Das Buch und sein Haus - Mitteleuropäische Bibliotheksbauten von von Engelbert Plassmann, Christoph Seelbach und Philipp Mayr
  2. Ein Bildband der Fotografin Candida Höfer zum Thema BIBLIOTHEKEN (das Ganze auch noch garniert mit einem Vorwort von Umberto Eco):
    Candida Höfer, Umberto Eco: Bibliotheken, Schirmer/Mosel (2007), 272 Seiten (2009)
Kleiner Nachtrag:
Herzogin Anna Amalia Bibliothek,
Weimar (Foto: Bundesarchiv)
Am 24. Oktober 2007 wurde das historische Bibliotheksgebäude der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek, das seit dem Brand am 2. September 2004 restauriert und neu eingerichtet wurde, wieder eröffnet. Zugleich stand der berühmte Rokokosaal ab Dezember 2007 wieder zur regelmäßigen Besichtigung offen. Bis allerdings die beschädigten Bücher restauriert bzw. wiederbeschafft werden können, soll es noch 30 Jahre dauern...

'Über die Vergänglichkeit des gedruckten Wortes', zum Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, aus dem Biblionomicon (03.09.2007)

Montag, 3. September 2007

Über die Vergänglichkeit des gedruckten Wortes...

Fast genau auf den Tag ist es jetzt drei Jahre her, dass am 2. September 2004 die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar gebrannt hat. Es war ein lauer, spätsommerlicher Abend. Ich saß im Arbeitszimmer und habe an irgend einem Text gearbeitet, als ich einen Feuerwehr-Löschzug nach dem anderen durch die Stadt jagen hörte. Aber erfahren vom Brand habe ich erst durch Freunde am darauf folgenden Morgen, als Asche und halbverbrannte Blätter vom Wind in die Gärten geweht wurden. Eine der schönsten Bibliotheken der Welt und mit ihr zahlreiche Ölgemälde und über 50.000 Bücher sind im größten Bibliotheksbrand (in Deutschland) nach dem zweiten Weltkrieg verbrannt oder beschädigt worden. Zusätzlich kommen noch durch die Löschaktion verursachte Wasserschäden (34000 Bände mit Wasser- und Hitzeschäden, 28000 Bände mit Brandschäden, 46000 mit Ruß- und Rauchschäden...).

Just diesen Tag hat eine Allianz von mehr als 40 Bibliotheken jetzt zum »1. Nationalen Aktionstag zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts« ausgerufen. Doch nicht nur Feuer wird den Archivbeständen gefährlich. Vielmehr sind es Schimmel, Rost, Schädlinge, Säurefraß und andere chemische Vorgänge, die dafür sorgen, dass Schriftträger wie Papier oder aber auch neuerdings Datenträger (die zusätzlich auch noch von einer anderen Art der 'technologischen Amnesie' betroffen sind) dem 'Zahn der Zeit' zum Opfer fallen.

Bibliotheken seien -- so Goethe -- »Schatzkammern des Geistes« und ein »Capital, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet«. Daher sollten wir dieses Kapital bewahren und dafür Sorge tragen, dass wir nicht eines Morgens aufwachen und mit leeren Taschen dastehen....

siehe auch: