Samstag, 9. Februar 2008

Geheimrat als Geheimagent - Robert Löhr: Das Erlkönig-Manöver

Man stelle sich vor, Goethe - jawohl, unser aller Deutschen Dichterfürst - im stattlichen Alter von 55 Jahren, begleitet von seinem Freund Schiller, den Dichterkollegen Achim von Arnim, Heinrich von Kleist und Bettine Brentano (später Bettine von Arnim), und dazu noch Alexander von Humboldt, auf einer tollkühnen Mission im napoleonisch besetzten Mainz, um den vermeintlichen letzten Erben der französischen Monarchie zu befreien. Klingt nach Räuberpistole? Ganz genau....

Aber alles von Anfang an. Wir schreiben das Jahr 1805. Geheimrat Goethe - man verwechsle diese Dienststellung, die einem Minister gleich kommt bitte nicht mit "Geheimagent" - wird also von seinem Herzog und Freund Carl-August mit der heiklen und bereits geschilderten Mission betraut. Als Motivation des Herzogs muss seine Sorge um das Wohlergehen seines "Thüringischen Athens" angenommen werden, da es Napoleons Eroberungsplänen leicht zum Opfer fallen könnte. (Tatsächlich ist Weimar später auch nur "um ein Haar" der Brandschatzung durch napoleonische Truppen entgangen...). Ziel des Herzogs ist vornehmlich die Restauration der Bourbonischen Monarchie, da es dem einzigen Sohn Ludwigs XVI., Louis-Charles, unter der Mithilfe des Polizeichefs Barras gelungen sein soll, unter Vortäuschung seines Todes aus der republikanischen Gefangenschaft zu entkommen.

Goethe stellt seine "Crew" zusammen: Sein enger Freund Friedrich von Schiller (erinnern wir uns....1805 war doch auch das Todesjahr Schillers...) und -- welch Zufall, da er doch gerade in Weimar weilt -- Alexander von Humboldt als Weltreise-erfahrenen "Scout". Unterwegs stoßen noch Achim von Arnim und dessen Zukünftige, Bettine Brentano zu der illustren Gesellschaft. Und da ist noch jener junge Soldat, der Goethe schon in Weimar nachstellt, um ihm sein Drama schmackhaft zu machen, auf dass Goethe es auf Weimars Theaterbühne groß herausbringe. Das Drama - wie sich später herausstellt -- ist kein geringeres als Heinrich von Kleists "Der zerbrochne Krug". Und tatsächlich, Goethes immer wiederkehrende Schramme unter seiner Perücke erinnert doch fatal an Dorfrichter Adams Blessur, die von besagtem Krug her stammte....

Es gelingt den Dichtern und Denkern tatsächlich unerkannt in das besetzte Mainz einzudringen und den vermeintlichen Dauphin rasch zu befreien, doch gestaltet sich die anschließende Flucht um so schwieriger und langwieriger. Dass dabei natürlich nicht alles so "glatt" läuft wie gedacht und dass das Ende in Weimar natürlich noch nicht das Ende der Geschichte ist, macht diesen kurzweiligen Roman doch lesenswert.

Aber ein paar VIPs zusammengewürfelt mit ein paar literarischen Zitaten, verstrickt in eine abenteuerliche -- aber zugegebenermassen weit hergeholten -- Handlung machen noch keinen guten Roman aus. Natürlich ist es besonders schwer, diesen Ikonen der deutschen Geisteskultur Leben einzuhauchen. Doch die Charaktere sind mir persönlich bei Robert Löhr doch leider etwas zu blass geraten. Am Anfang wird uns kaum Zeit gelassen, die Hauptpersonen richtig kennenzulernen. Humboldt ist ein ganz besonders gutes Beispiel für dieses Manko. Vergleicht man seine Darstellung mit der aus Daniel Kehlmanns genialem Meisterwerk "Die Vermessung der Welt", hat man das Gefühl es hier nur mit einem nichtssagenden Abziehbild des Kehlmannschen Sonderlings und Ausnahmeforschers zu tun zu haben. Und überhaupt, wenn Goethe und Schiller fortwährend sich selbst zitieren, so mag das zwar für die Literaturrecherche des Autors spechen, macht aber die Dialoge nicht wirklich glaubwürdiger. Natürlich zaubert es uns ab und an ein Lächeln um die Lippen, wenn das ein oder andere Bonmot fällt, das uns noch aus zähen Deutsch- und Lektürestunden nachhängt. Aber näher bringt es uns die beiden nicht - und menschlicher macht sie das ganz und garnicht.

Nichtsdestotrotz habe ich die Lektüre dieses Buches sehr genossen. Kurzweilig geschrieben und spannend, so dass man einfach dranbleiben musste. Für einen derzeitigen Wahl-Weimarer (es heißt nicht "Weimaraner", denn das ist der Name für eine Hunderasse...) wie mich macht die Schilderung des Goetheschen Weimars und des thüringer Umlandes natürlich auch einen beträchtlichen Teil des Charmes dieses Buches aus.

Fazit: kurzweilige Lektüre für alle, denen Schiller und Goethe im Deutschunterricht immer fremd geblieben sind und eventuell eine Chance, diese erstmalig kennenzulernen....vielleicht auch, um tatsächlich einmal selbst einen Blick in deren reichhaltige Hinterlassenschaft zu werfen....

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