Mittwoch, 14. Mai 2008

Choderlos de Laclos: Gefährliche Liebschaften

Gut zwei Monate ist es jetzt her, dass ich die letzten Zeilen hier im Blog hinterlassen habe. Zwei Monate und ein ganzer Stapel Bücher, über die ich jetzt alle schreiben kann....

Den Anfang macht der klassische Briefroman 'Gefährliche Liebschaften' von Cholderlos de Laclos, den man zumindest in seiner opulenten filmischen Umsetzung durch Stephen Frears mit einem genialischen John Malkovich und einer eiskalten wie skrupellosen Glen Close kennt. Damit ist die Handlung ja auch schon eigentlich erzählt. Denn gleich dem Film, dreht sich das Buch um die Machenschaften der Marquise de Merteuil, die mehr aus Langeweile gleichsam aus Sportsgeist ihre Mitmenschen verdirbt, betrügt, hintergeht oder intrigiert. Kurzum, die Marquise de Merteuil langweilt sich so sehr in ihrem aristokratischem Dasein, dass sie mit dem Leben anderer spielt, gleichwohl ihr bewusst ist, dass sie alleine schon mit einer geschickt platzierten Bemerkung ganze Lebensplanungen zerstören und ein Dasein vernichten kann.
Klingt übertrieben dekadent, aber Laclos zeichnet ein überspitzt dargestelltes Sittenbild des späten französischen Rokoko, das unweigerlich wenige Jahre später in der Revolution münden muss.

Der Roman -- und das macht ihn zu einem besonderen Genuss - ist als Briefroman angelegt. Die Briefe stammen von der Hand der Marquise de Merteuil, ihres Kompagnon und früheren Geliebten, des Vicomte de Valmont, der jungen und zunächst unschuldigen Cecile de Volange, ihres Verehers und Liebhabers, des Chevalier Danceny. Dazu kommen noch die Präsidentin de Trouvel, die das ausgemachte Ziel aller Wünsche Valmonts verkörpert, sowie einige weitere, weniger wichtige Personen. Valmont will die Präsidentin de Trouvel verführen, die als Tugendhaftigkeit in Person gilt, und deren Niederlage gegen Valmont von diesem zunächst aus rein sportlichem Interesse und reinem Ehrgeiz angestrebt wird. Die Marquise de Merteuil dagegen stachelt Valmont dazu an, die junge Cecile de Volanges zu verführen und zu verderben, um deren zukünftigen Ehemann -- der Comte de Gercourt, einem ehemaligen Geliebten der Merteuil -- zu demütigen. Derart ausgestattet entspannt sich der Reigen, doch entwickelt sich alles etwas anders als geplant, als Valmont tatsächliche Gefühle für die Präsidentin de Trouvel (Michelle Pfeiffer) entwickelt. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf....und obwohl man ja schon aus dem Film weiss, wie die Geschichte endet, ist das Büchlein ein wahrer Genuss - auch wenn die Schwülstigkeit und Ausführlichkeit der brieflichen Darstellungsform für viele etwas gewöhnungsbedürftig sein mag

Die größte und eindrucksvollste Szene für mich ist diejenige, in der Valmont, quasi erpresst von der Merteuil als Opfer seiner eigenen Ambitionen, mit der bereits verführten Präsidentin de Trouvel entgegen seiner Überzeugung und seiner wahren Gefühle brechen muss, um nicht das Gesicht gegenüber der Merteuil -- und seinen 'guten' Ruf -- zu verlieren. Dabei legt ihm die Merteuil die Worte in den Mund, die Malkovich im Film gleich einer unwilligen, aber zu ihrem eigenen Untergang verdammten Marionette abspult:


"Man bekommt alles einmal satt, mein Engel. Das ist ein Naturgesetz. Meine Schuld ist es nicht.
Wenn ich als heute eines Abenteuers überdrüssig bin, dass mich seit vier langweiligen, grässlichen Monaten ausschließlich in Anspruch genommen hat, so ist es nicht meine Schuld.
Wenn ich beispielsweise just so viel Liebe gehabt habe, wie du Tugend besaßest, und das will sicher viel besagen, so ist es nicht erstaunlich, dass die eine zur selben Zeit aufgehört hat wie die andere. Meine Schuld ist es nicht.
Daraus folgt, dass ich Dich seit einiger Zeit betrogen habe. Aber Deine erbarmungslose Zärtlichkeit hat mich gewissenmaßen auch dazu gezwungen! Meine Schuld ist es nicht!
Heute verlangt eine Frau, die ich über alles liebe, dass ich Dich aufgebe. Meine Schuld ist es nicht.
Ich fühle wohl, das wird eine schöne Gelegenheit abgeben, Zeter und Mordio wegen meines Eidbruchs zu schreien. Aber wenn die Natur den Männern nur Beständigkeit verliehen hat, während sie die Frauen mit hartnäckigerem Beharren begabte, so ist es meine Schuld nicht,
Glaube mir, wähle Dir einen anderen Liebhaber, wie ich eine andere Geliebte erkoren habe. Dieser Rat ist gut, sehr gut sogar. Findest Du ihn aber schlecht, so ist es meine Schuld nicht.
Leb wohl mein Engel, ich habe Dich mit Freuden genommen, ich verlasse Dich ohne Reue. Vielleicht komme ich einmal wieder zu Dir zurück. So ist der Lauf der Welt. Meine Schuld ist es nicht...."


Fazit: Ein opulentes Werk in Briefform über menschliches Begehren, Intrigenspiel, Liebe und Moral. Auch wenn sich die Zeiten seit de Laclos deutlich geändert haben, das Spiel der Liebe und Intrigen hat auch heute noch Bestand und ist so aktuell wie zuvor. Meine Schuld ist es nicht.....

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