Freitag, 31. Oktober 2008

Das Ende der Buchkultur....

...meine erste Woche mit dem Bookeen Cybook. Das also soll es sein, das von den Buchverlagen so gerne beschworene 'Ende des gedruckten Buches'...?

Vergangene Woche bekam ich leihweise ein Bookeen Cybook übereignet, um es mir einmal 'genauer anzusehen'. Was ein eBook Reader ist, darüber brauche ich mich hier ja nicht weiter verbreiten. Denn spätestens seit der Frankfurter Buchmesse vor 14 Tagen weiss jeder Tagesschau-Zuschauer bzw. Zeitungsleser ja Bescheid darüber, dass es das gedruckte Wort schon allzubald wohl nicht mehr auf Papier gedruckt zu sehen geben wird....

Quatsch! Bücher wird es immer geben. Ob es natürlich auch bis in alle Ewigkeit bei den derzeit hohen Auflagenzahlen bleiben wird, das steht auf einem anderen Blatt geschrieben. 'Gebrauchs-Literatur' ist ja oftmals nicht das Papier wert, auf der sie gedruckt wird. Warum also überhaupt drucken? Aber diese Debatte über den drohenden Zusammenbruch der abendländischen Kultur möchte ich gerne auf einen späteren Zeitpunkt verschieben und über meine Erfahrungen mit dem neuen Lesegerät berichten.

Mein erster Eindruck: Hmm...sieht eher aus wie ein zu groß geratener Taschenrechner ohne Tasten. Schwarzes Plastik, hellgraues Display, eine große Taste mit 4 Cursor-Tasten auf der Frontseite, an den Seiten jeweils 2+4 Mikrotasten für diverse Funktionen. Warum müssen diese Teile immer so verdammt 'technisch' aussehen und überhaupt.....macht sich denn in den Entwicklungslabors kein Mensch Gedanken um gutes und funktionales Design? Muss erst wieder Apple kommen, um ein akzeptables 'iBook' auf den Markt zu bringen?

Also.....Anschalten: Das Teil bootet recht behäbig. Nach gut 30 Sekunden steht das Menü, eingeteilt in verschiedene Seiten, in dem ich mir meine Lektüre aussuchen soll. Die elektronische Tinte (e-Ink) ist technologisch gesehen eine tolle Sache, aber vom Benutzerstandpunkt aus betrachtet etwas gewöhnungsbedürftig, da zäh. Seitenwechsel inklusive Bildaufbau dauern schon mal ein paar Sekunden. Das Display ist nicht allzu groß, also versuche ich durch Anpassung der Schriftgröße mehr Text auf den Bildschirm zu bringen, bis es für die Augen zu anstrengend wird. Insgesamt erweckt so eine Buchseite auf dem eBook den Eindruck, als wäre sie mit einem billigen Nadeldrucker aus den 80er Jahren ausgedruckt worden. Zudem sollte man das eBook stets bei hinreichend guter Beleuchtung lesen. Mangels Eigenbeleuchtung und schlechtem Kontrast wird sonst das Lesen bei schummriger Umgebungsausleuchtung zur Qual. Naja, wir werden sehen, ob man sich bei längerer Lektüre an diese Gegebenheiten gewöhnt.

Ein weiteres Problem liegt in der bestehenden Formatvielfalt der eigentlichen Lektüre. Warum mussten hier wieder alle Hersteller ein eigenes Format 'erfinden'? Immerhin verdaut das Bookeen CyBook das verbreitete MobiPocket-Datenformat (muss ich eigentlich erwähnen, dass die mItgelieferte Software NUR unter Windows läuft...? Zum Glück habe ich nach kurzer Recherche für den Mac das freie eBook-Reader Programm 'stanza' finden können). Ein Kaufargument mag für viele sein, dass auch PDF-Dateien auf dem eBook dargestellt werden können. Allerdings muss man hier einige Abstriche machen. In der mitgelieferten Betriebssystemversion des CyBook können PDF-Dateien nicht vergrößert werden. Zudem dauert das Öffnen und Umblättern einer etwa 15MB großen PDF-Datei jeweils 5-10 Sekunden, was nicht wirklich das Lesevergnügen fördert. Um das Betriebssystem aufzurüsten, kann man sich auf der Bookeen Website ein Upgrade herunterladen, allerdings muss dieses für den Upgrade-Vorgang zuvor auf eine (nicht mitgelieferte) SD-Card überspielt werden...). Das Upgrade verspricht besseres PDF-Handling und ich werde -- sobald ich eine SD-Card aufgetrieben habe -- darüber berichten.

Als ultimativen Test habe ich mir ein englisches eBook von Michael Crichton ausgesucht: 'The Great Train Robbery'. Abgesehen von der literarischen Qualität des Buches werde ich hier weiter über meine Leseerfahrungen mit dem eBook berichten.

Mein bisheriges Fazit: Das Abendland und mit ihm die Buchkultur müssen JETZT noch nicht untergehen!

Sonntag, 5. Oktober 2008

Antal Szerb: Die Pendragon-Legende ... Umberto Eco meets Edgar Wallace

Ein vielversprechender Titel... Aber um erst einmal allen Vorahnungen den Wind aus den Segeln zu nehmen: Nein, Antal Szerbs "Pendragon-Legende" hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Sagenkreis um König Artus zu tun, auch wenn es der Name nahelegen würde. "Pendragon" bedeutet auf Walisisch soviel wie "Drachenkopf" und ist der Name eines alten Adelsgeschlechts.

Hauptfigur -- der Roman ist in Form einer Ich-Erzählung geschrieben -- ist der ungarische Philologe János Bátky, zu dessen Spezialgebiet die englischen Mystiker des 17. und 18. Jahrhundert zählen. Bátky, das Alter Ego des ungarischen Autors Antal Szerb, der diesen Roman 1934 veröffentlichte, lernt auf einer englischen Dinnerparty den Earl of Gwynned, Owen Pendragon kennen und wird von ihm auf Schloss Llanvygan eingeladen, um mit der Sammlung seltener Kodizes und Handschriften der berühmten Bibliothek Pendragons zu arbeiten. Bei seinen ersten Nachforschungen über die Familiengeschichte der Pendragons stößt Bátky auf allerhand Geheimnisvolles. "Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches", so das Familienmotto der Pendragons, in deren Stammbaum sich mehr oder weniger namhafte Achimisten und Okkultisten tummeln, die auf der Suche nach dem ewigen Leben, der Erschaffung des Homunkulus oder nach dem Geheimnis des Steins der Weisen ihre obskuren Forschungen und Experimente betrieben.

So auch der derzeitige Earl of Gwynned, der mit seltsamen Reptilien -- dem Axolotl, einem Grottenolm -- experimentiert und so versucht, dem Geheimnis des ewigen Lebens auf die Spur zu kommen. Noch kann Bátky sein Glück kaum fassen. Auf etwas merkwürdige Weise lernt er den Iren Maloney kennen, einen vielgereisten aber ungebildeten und großspurigen Draufgänger, dessen Hobby in nächtlichem Felsen- und Fassadenklettern besteht. Dazu Osborne, den typischen britischen Aristokraten, den hochintelligenten und vielbelesenen Neffen des Earls, der ein "Problem" mit Frauen hat, und Eileen St. Clair, eine steinreiche "Femme fatale", die eine alte, in Ungnade gefallene Bekannte des Earls zu sein scheint. Zu dieser illustren Party gesellt sich noch Claire, die Schwester Osbornes und Nichte des Earls. Bleibt noch festzustellen, dass Blátky mit beiden versucht, seine romantischen und erotischen Phantasien auszuleben, die allerdings aus vielerlei Gründen zum Scheitern verurteilt sind. Angekommen auf Schloss Llanvygan beginnt ein sonderbares, düsteres Verwirrspiel.

Dabei spielt eine unermessliche Erbschaft in Verbindung mit einem mysteriösen Todesfall eine signifikante Rolle und aus der Familiengeschichte des Earls treten nach und nach Rosenkreuzer, Alchimisten, der unerhörte Graf von Saint Germain und selbst bekannte Figuren wie Giacomo Casanova auf den Plan. Ähnlich wie in Umberto Ecos Meisterwerk "Das Foucault'sche Pendel" spielt Szerb mit teils wahren, teils erfundenen Geschichten und historischen Begebenheiten, die er gekonnt vermischt und in die mysteriöse Handlung einflicht. Fast bis zum Ende wird dem Leser nicht wirklich klar, ob es sich einfach um einen Kriminalroman oder tatsächlich um eine "Gothic Novel', also eine phantastische Geschichte handelt. Aber soviel möchte ich schon einmal verraten: Auch wenn es zumindest teilweise als simpler "Fiebertraum" der Hauptfigur verkleidet wird, es bleibt doch schon eine gehörige Prise Phantastik in dieser oft spannenden Erzählung.
"Es gibt Dinge, die irgendwo im Inneren des Menschen wahr sind, die sich aber in Wahnsinn verwandeln, sobald man sie ausspricht. Man sollte nicht versuchen, sie zu erklären... Wir leben in zwei verschiedenen Welten zugleich und alles hat zweierlei Sinn: den einen versteht jeder, aber der andere geht über die Sprache hinaus und ist nicht zu fassen. Und er ist entsetzlich!
Im MIttelpunkt der Handlung steht die Aufklärung der Familiengeschichte der Pendragons, insbesondere das Geheimnis des 6. Earl of Gwynned, Asaph Pendragon, dem Hexer. Dabei gerät der Leser mitten hinein in die geheime Geschichte der Rosenkreuzer, wobei sogar die Identität des Gründers dieser tatsächlich historischen Geheimgesellschaft (natürlich fiktiv) aufgedeckt wird. Im Vergleich zu Eco allerdings haben wir es hier mit "Geheimgesellschaften für Anfänger" zu tun. Auch wenn der Roman immer wieder mit teils wunderschönen Zitaten glänzt, bleibt er doch stets hinter der von Eco gebotenen Vielschichtigkeit zurück (...auf der anderen Seite müssen sich Ecos Romane auch den Vorwurf der "bildungsbürgerlichen Onanie" gefallen lassen...). Tatsächlich wird sogar Erich Kästners"Emil und die Detektive" nebst Shakespeare oder Edgar Wallace bemüht. Auf alle Fälle lernt man aber etwas über Bücher, die Kunst des Buchdrucks und Bibliotheken...
"Ein Buch ist doch etwas Wundervolles! Es steht und steht im Regal, es ist unscheinbar, und es ist stumm wie ein Fisch. Dann schlägt man es auf, aber man weiss noch gar nichts, weil ein Wiegendruck kein Titelblatt hat. Dann sieht man sich hinten den Kolophon an, und man entdeckt, dass man einen Caxton in der Hand hält, den Fürst, den Papst der Bücher! Kann ein Mensch die Kunst der Diskretion je zu solcher Perfektion bringen, wie ein Buch es tut?
Leider bleiben die einzelnen Figuren des Romans ziemlich blass gezeichnet und geraten bestenfalls stereotyp. Diese Stereotypen haben mich sogar besonders gestört, vor allen Dingen der irische "Draufgänger" Maloney oder die deutschen "Walküre" Lene (Nein, ich fühle mich ganz und garnicht dadurch angegriffen, dass eine Deutsche in den 30er Jahren in London vor Sehnsucht nach Sauerkraut fast vergeht...). Die Kriminalgeschichte, die den Aufhänger des Romans bildet, bleibt überwiegend auf recht trivialem Niveau. Insgesamt hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht -- und das in jeder Beziehung.

Ein Wort noch zu den "DTV-Premium Ausgaben". Im Druck eigentlich ein Vollformat, aber mit einem etwas verstärkten Pappdeckel, schlicht verleimt wie ein Taschenbuch, d.h. ohne echte Bindung. Zwar von außen etwas schöner als ein "normales" Taschenbuch, dafür aber wesentlich unhandlicher. Insbesondere beim Lesen macht sich die Neigung dieser Ausgaben zum "wieder Zufallen" bemerkbar. Versucht man dem entgegenzuwirken, dankt einem das Buch diese Bemühungen mit einem deutlichen Knick im Rücken. Also bitte.......wenn schon, dann doch bitte ein gebundenes Buch! Das sollte auch nicht viel teurer sein (kostet das Premium Taschenbuch schon knapp 15 Euro!!), ist aber einfach (a) schöner und (b) um ein vielfaches praktischer!

Fazit: Eine düstere Mischung aus Kriminalgeschichte und phantastischen Roman, kurzweilig geschrieben, schön zu lesen, doch für meinen Geschmack fast etwas zu einfach gestrickt. Eigentlich tatsächlich ein "Eco für Anfänger"....

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