Donnerstag, 10. März 2011

Segen und Fluch einer Fortsetzung - Gordon Dahlquist 'Das Dunkelbuch'

Wie der Titel schon vermuten lässt, geht es diesmal um eine Romanfortsetzung und die sich daraus für mich ergebenden Überlegungen über Sinn und Unsinn von Fortsetzungen im Allgemeinen sowie im Speziellen. Doch alles der Reihe nach (sic!). Im Jahr 2008 brillierte der amerikanische Bühnenautor und -regisseur Gordon Dahlquist mit seinem Erstlingswerk "Die Glasbücher der Traumfresser" mit einer Art Steampunk-Persiflage auf den Abenteuer-Fantasy-Groschenroman der viktorianischen Ära (hier im Biblionomicon besprochen). Irgendwie hatte man nach diesem fulminanten Auftakt der Geschichte das Gefühl, dass diese noch nicht ganz zu Ende erzählt worden wäre...

... und prompt hat der Autor mit dem 'Dunkelbuch' eine Fortsetzung vorgelegt, die sich allerdings etwas schwer tut, die Latte, die mit dem ersten Band der Geschichte recht hoch gelegt wurde, wieder zu erreichen. Um eines schon einmal vorweg zu nehmen:
Lesen Sie das Buch auf gar keinen Fall, wenn Sie den ersten Band nicht gelesen haben! Sollte Ihnen der erste Band nicht gefallen haben, wird Ihnen der zweite mit absoluter Sicherheit erst recht nicht gefallen!
Gordon Dahlquist hat eine fiktive Welt des 19. Jahrhunderts geschaffen, die sich unter dem Begriff "Steam-Punk" ganz gut zusammenfassen lässt. Abgrundtief böse und durchtriebene Schurken, Geheimgesellschaften, latent verborgene Sexualität und viktorianische Prüderie, kombiniert mit Versatzstücken aus Kriminalroman, Fantasy-Erzählung, Science Fiction und Schnitzeljagd. Der Plot der Fortsetzung setzt nahtlos an die vorangegangene Geschichte an. Eine Geheimgesellschaft schickt sich an, die Fäden der Macht in England und dem europäischen Ausland (warum ausgerechnet Mecklenburg?!?) an sich zu reisen. Dies gelingt durch eine bahnbrechende Erfindung/Entdeckung: Die Glasbücher. Gebrannt aus einem speziellen raren Indigo-Lehm haben diese "Bücher" die unglaubliche Eigenschaft, Erinnerungen, Gedanken und Gefühle eines Menschen aufzuzeichnen und durch bloße Berührung wiederzugeben. Auf dem Weg, ihre Macht in Richtung Kontinentaleuropa auszubreiten, stürzt das Luftschiff der Verschwörer am Ende des ersten Bandes in die See und nur die Helden unserer Geschichte scheinen sich gerade noch ans sichere Ufer retten zu können.

Aber weit gefehlt. Die ursprünglichen Feinde sind nicht alle ums Leben gekommen und versuchen ihre Verschwörung dennoch fortzusetzen. Wir treffen fast alle Protagonisten des ersten Bandes wieder und setzen von Neuem zu einer atemberaubenden Schnitzeljagd an. Beim titelgebenden "Dunkelbuch" handelt es sich aber um ein ganz spezielles Glasbuch: Es enthält die letzten Erinnerungen des sterbenden Erfinder und Schöpfer der bahnbrechenden Glasbuchtechnologie, aufgezeichnet im Augenblick des Todes. Derjenige, der sich diese Technologie zu eigen machen möchte, indem er das Dunkelbuch "liest", nimmt damit aber auch den Schatten des Todes und des nahenden Verfalls mit in sich auf. Klingt wie eine ganz schlimme Räuberpistole, ist es aber auch.

Gordon Dahlquist liefert rein handwerklich ein solides Stück Unterhaltungsliteratur ab, wobei die wechselnden Erzählperspektiven ebenso wie im ersten Band einen Großteil des Reizes der Geschichte ausmachen. Allerdings hat man das Gefühl, es will ihm nicht so recht gelingen, der Geschichte und seinen Figuren auch tatsächlich noch neue Seiten abzugewinnen. So wird aus dem "Dunkelbuch" tatsächlich eine zweitklassige Fortsetzung der ursprünglich skurilen Geschichte mit Wiederholungen und zwischenzeitlichen Längen. Schlägt man die letzte Seite um und schließt den Buchdeckel, stellt sich irgendwie ein leeres Gefühl ein und man fragt sich, ob es den ganzen Aufwand wirklich wert war.

Aber die Fortsetzung einer erfolgreichen Geschichte an sich birgt ja schon immer die Gefahr des Scheiterns. Die Erwartungen sind meist einfach viel zu hoch gesteckt. Jetzt kann der geneigte Leser gerne auch Goethes "Faust 2" zitieren, der ja nun wirklich nur etwas für die eingefleischten Goethe-Afficionados oder auch aufgesetzten Bildungsbürgertümler ist. Ich glaube, Goethe war sich schon bewusst, dass sein überaus erfolgreicher erster Teil nur schwer zu überbieten war. Darum hat er sich wohl aber auch zwischen den beiden Dramen über 30 Jahre Zeit gelassen.

Fazit: Eine turbulent-skurile Fortsetzungsgeschichte nur für wirkliche Liebhaber des ersten Teils geeignet, zu lesen auf eigene Verantwortung und am Besten mit nicht allzu hoch gesteckten Erwartungen.


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