Sonntag, 5. Mai 2013

Dem 'Aha-Effekt' auf der Spur - Gilbert Keith Chesterton - Apollos Auge

Auch wenn ihr noch nie etwas von Gilbert Keith Chesterton gehört haben solltet, so ist euch bestimmt Pater Brown ein Begriff, der Detektiv in römisch-katholischer Priestersoutane, der sich insbesondere auch in Deutschland seit den Filmen mit Heinz Rühmann und den nachfolgenden Fernsehserien großer Beliebtheit erfreut. Krimis sind eigentlich nicht unbedingt mein Metier, so dass ich bislang noch nichts mit Pater Brown zu schaffen hatte. Allerdings hatte ich bereits Chestertons skurrilen Roman 'Der Mann, der Donnerstag war' gelesen und war umso mehr gespannt, einiger seiner Kurzgeschichten in der 'Bibliothek von Babel', von der hier im Biblionomicon schon öfters die Rede war, zu lesen.

Fünf seltsame, kunstvoll konstruierte Kriminalgeschichten bilden den Inhalt dieses 7. Bandes der 'Bibliothek von Babel', eingeleitet wie immer durch ein Vorwort des Herausgebers Jorge Luis Borges. Chesterton, so Borges, versuchte sich bevor er sich für die Schriftstellerei entschied als Maler. Daher seien seine Werke von einer bemerkenswerten Visualität geprägt. Zusammenfassend rühmt er Chestertons Werk mit den folgenden Worten:
"Die Literatur ist eine der Formen des Glücks; vielleicht hat kein Schriftsteller mir soviel glückliche Stunden bereitet wie Chesterton." (Seite 12)
Doch diesmal spielt das phantastische Element, das sonst diese Serie dominiert, kaum eine Rolle, auch wenn es sich um außerordentlich rätselhafte Vorfälle dreht, denen Chestertons Detektiv Pater Brown Schritt für Schritt auf den Grund gehen muss. Doch die erste Kurzgeschichte 'Die drei apokalyptischen Reiter' kommt selbst ohne den Detektiv daher und erzählt von einer unerhörten Begebenheit aus einem zurückliegenden Krieg, als Botschaften noch am schnellsten über berittene Boten ausgetauscht werden mussten. Die Tücke in dieser Art der Übermittlung liegt in der Zeit, die eine Nachricht benötigt, um vom Sender zum Empfänger zu kommen. Anders als heute, da die Kommunikation weltweit nahe verzugslos stattfindet, blieb einem Störenfried damals ausreichend Zeit, um in diesen Vorgang einzugreifen, auch wenn es sich um den schnellsten berittenen Boten des Heeres handeln sollte. Es geht dabei um die Übermittlung eines Todesurteils, die anschließende Aufhebung desselben und damit einhergehenden Störungsversuch, um diese Aufhebung wiederum zu verhindern. Doch endet die Geschichte nicht unbedingt im Sinne Senders...

In den folgenden vier Geschichten betritt Pater Brown die Szene. In 'Die seltsamen Schritte' kommt Pater Brown beim jählichen Festmahl des snobistischen Klubs der "Zwölf wahren Fischer" im exklusiven Edelrestaurant des Hotels Vernon einem akustischen Phänomen auf die Schliche. In 'Die Ehre des Israel Gow' weilt Detektiv in einem düster heruntergekommenen schottischen Schloss bei entsprechend schlechtem schottischen Wetter, um das Rästel um den Tod und das Testament des letzten Lord Glengyle zu ergründen. 'Apollos Auge', die Geschichte, die dem vorliegenden Band auch ihren Namen  gibt, verspottet den Kult zur Esoterik, die hier als Rahmen und zum Werkzeug eines Verbrechens missbraucht wird. Mir persönlich hat die letzte Geschichte 'Das Duell des Doktor Hirsch' besonders gut gefallen. Sie spielt in Frankreich und es geht um Hochverrat, verletzte Ehre und um ein entwendetes Dokument, aber nichts ist wie es scheint und dennoch gelingt es Pater Brown diesen unentwirrbaren Knoten zur Verblüffung des Lesers zu zerschlagen.

Spöttisch, gewitzt und unverblümt geht Pater Brown an die Auflösung seiner Fälle und im Gegensatz zu seinem Kollegen und Übervater Sherlock Holmes scheiden sich an dieser Figur die Geister, denn nicht alle können sich mit diesem römisch-katholischen Superdetektiv, der mit seine Fälle weniger mit streng logischer Deduktion, denn mit urchristlichem Bauchgefühl aufklärt, anfreunden. So mysteriös die Ausgangssituation erscheint, so profan kommt dann die Auflösung daher, die der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen verwurzelte Brown präsentiert. Unterhaltsam, leichtfüßig, aber dann doch keine seichte Kost, Aber das ist dann doch, wie immer, auch Geschmacksache.

Fazit: Stimmungsvoll erzählte, verblüffende Geschichten mit einem nicht unumstrittenen Protagonisten. Durchaus lesenswert!

Weitere Rezensionen im Biblionomicon zur 'Bibliothek von Babel':
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