Hauptfigur -- der Roman ist in Form einer Ich-Erzählung geschrieben -- ist der ungarische Philologe János Bátky, zu dessen Spezialgebiet die englischen Mystiker des 17. und 18. Jahrhundert zählen. Bátky, das Alter Ego des ungarischen Autors Antal Szerb, der diesen Roman 1934 veröffentlichte, lernt auf einer englischen Dinnerparty den Earl of Gwynned, Owen Pendragon kennen und wird von ihm auf Schloss Llanvygan eingeladen, um mit der Sammlung seltener Kodizes und Handschriften der berühmten Bibliothek Pendragons zu arbeiten. Bei seinen ersten Nachforschungen über die Familiengeschichte der Pendragons stößt Bátky auf allerhand Geheimnisvolles. "Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches", so das Familienmotto der Pendragons, in deren Stammbaum sich mehr oder weniger namhafte Achimisten und Okkultisten tummeln, die auf der Suche nach dem ewigen Leben, der Erschaffung des Homunkulus oder nach dem Geheimnis des Steins der Weisen ihre obskuren Forschungen und Experimente betrieben.
So auch der derzeitige Earl of Gwynned, der mit seltsamen Reptilien -- dem Axolotl, einem Grottenolm -- experimentiert und so versucht, dem Geheimnis des ewigen Lebens auf die Spur zu kommen. Noch kann Bátky sein Glück kaum fassen. Auf etwas merkwürdige Weise lernt er den Iren Maloney kennen, einen vielgereisten aber ungebildeten und großspurigen Draufgänger, dessen Hobby in nächtlichem Felsen- und Fassadenklettern besteht. Dazu Osborne, den typischen britischen Aristokraten, den hochintelligenten und vielbelesenen Neffen des Earls, der ein "Problem" mit Frauen hat, und Eileen St. Clair, eine steinreiche "Femme fatale", die eine alte, in Ungnade gefallene Bekannte des Earls zu sein scheint. Zu dieser illustren Party gesellt sich noch Claire, die Schwester Osbornes und Nichte des Earls. Bleibt noch festzustellen, dass Blátky mit beiden versucht, seine romantischen und erotischen Phantasien auszuleben, die allerdings aus vielerlei Gründen zum Scheitern verurteilt sind. Angekommen auf Schloss Llanvygan beginnt ein sonderbares, düsteres Verwirrspiel.
Dabei spielt eine unermessliche Erbschaft in Verbindung mit einem mysteriösen Todesfall eine signifikante Rolle und aus der Familiengeschichte des Earls treten nach und nach Rosenkreuzer, Alchimisten, der unerhörte Graf von Saint Germain und selbst bekannte Figuren wie Giacomo Casanova auf den Plan. Ähnlich wie in Umberto Ecos Meisterwerk "Das Foucault'sche Pendel" spielt Szerb mit teils wahren, teils erfundenen Geschichten und historischen Begebenheiten, die er gekonnt vermischt und in die mysteriöse Handlung einflicht. Fast bis zum Ende wird dem Leser nicht wirklich klar, ob es sich einfach um einen Kriminalroman oder tatsächlich um eine "Gothic Novel', also eine phantastische Geschichte handelt. Aber soviel möchte ich schon einmal verraten: Auch wenn es zumindest teilweise als simpler "Fiebertraum" der Hauptfigur verkleidet wird, es bleibt doch schon eine gehörige Prise Phantastik in dieser oft spannenden Erzählung.
"Es gibt Dinge, die irgendwo im Inneren des Menschen wahr sind, die sich aber in Wahnsinn verwandeln, sobald man sie ausspricht. Man sollte nicht versuchen, sie zu erklären... Wir leben in zwei verschiedenen Welten zugleich und alles hat zweierlei Sinn: den einen versteht jeder, aber der andere geht über die Sprache hinaus und ist nicht zu fassen. Und er ist entsetzlich!Im MIttelpunkt der Handlung steht die Aufklärung der Familiengeschichte der Pendragons, insbesondere das Geheimnis des 6. Earl of Gwynned, Asaph Pendragon, dem Hexer. Dabei gerät der Leser mitten hinein in die geheime Geschichte der Rosenkreuzer, wobei sogar die Identität des Gründers dieser tatsächlich historischen Geheimgesellschaft (natürlich fiktiv) aufgedeckt wird. Im Vergleich zu Eco allerdings haben wir es hier mit "Geheimgesellschaften für Anfänger" zu tun. Auch wenn der Roman immer wieder mit teils wunderschönen Zitaten glänzt, bleibt er doch stets hinter der von Eco gebotenen Vielschichtigkeit zurück (...auf der anderen Seite müssen sich Ecos Romane auch den Vorwurf der "bildungsbürgerlichen Onanie" gefallen lassen...). Tatsächlich wird sogar Erich Kästners"Emil und die Detektive" nebst Shakespeare oder Edgar Wallace bemüht. Auf alle Fälle lernt man aber etwas über Bücher, die Kunst des Buchdrucks und Bibliotheken...
"Ein Buch ist doch etwas Wundervolles! Es steht und steht im Regal, es ist unscheinbar, und es ist stumm wie ein Fisch. Dann schlägt man es auf, aber man weiss noch gar nichts, weil ein Wiegendruck kein Titelblatt hat. Dann sieht man sich hinten den Kolophon an, und man entdeckt, dass man einen Caxton in der Hand hält, den Fürst, den Papst der Bücher! Kann ein Mensch die Kunst der Diskretion je zu solcher Perfektion bringen, wie ein Buch es tut?Leider bleiben die einzelnen Figuren des Romans ziemlich blass gezeichnet und geraten bestenfalls stereotyp. Diese Stereotypen haben mich sogar besonders gestört, vor allen Dingen der irische "Draufgänger" Maloney oder die deutschen "Walküre" Lene (Nein, ich fühle mich ganz und garnicht dadurch angegriffen, dass eine Deutsche in den 30er Jahren in London vor Sehnsucht nach Sauerkraut fast vergeht...). Die Kriminalgeschichte, die den Aufhänger des Romans bildet, bleibt überwiegend auf recht trivialem Niveau. Insgesamt hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht -- und das in jeder Beziehung.
Ein Wort noch zu den "DTV-Premium Ausgaben". Im Druck eigentlich ein Vollformat, aber mit einem etwas verstärkten Pappdeckel, schlicht verleimt wie ein Taschenbuch, d.h. ohne echte Bindung. Zwar von außen etwas schöner als ein "normales" Taschenbuch, dafür aber wesentlich unhandlicher. Insbesondere beim Lesen macht sich die Neigung dieser Ausgaben zum "wieder Zufallen" bemerkbar. Versucht man dem entgegenzuwirken, dankt einem das Buch diese Bemühungen mit einem deutlichen Knick im Rücken. Also bitte.......wenn schon, dann doch bitte ein gebundenes Buch! Das sollte auch nicht viel teurer sein (kostet das Premium Taschenbuch schon knapp 15 Euro!!), ist aber einfach (a) schöner und (b) um ein vielfaches praktischer!
Fazit: Eine düstere Mischung aus Kriminalgeschichte und phantastischen Roman, kurzweilig geschrieben, schön zu lesen, doch für meinen Geschmack fast etwas zu einfach gestrickt. Eigentlich tatsächlich ein "Eco für Anfänger"....
Links:
- Mehr Rezensionen bei buecher.de
- Rezension bei perlentaucher.de
- Ulrich Baron: Gespensterlose Welt, aus Die ZEIT, Nr. 51, 09.12.2004
- Rezension aus der taz vom 22.12.2004
- Reiter um Mitternacht, aus F.A.Z., 24. September 2004.
- Ironischer Krimi zwischen Realität und Phantastik, aus Buchwurm.info
- Rezension aus der Krimi-couch.de
- Voll Ironie und Zeitkritik, Rezension bei hr-online.de
- Eine gelungene Mischung aus Poe und Wilde, aus sandammeer.at
- Rezension bei x-zine.de