Dies ist in wenigen Worten zusammengefasst die Geschichte, die der im vergangene Jahr verstorbene portugiesische Altmeister der Erzählkunst und Literaturnobelpreisträger in seinem Buch "Die Reise des Elefanten" erzählt. König Johann der III. von Portugal sucht ein Geschenk für den Erzherzog Maximilian von Österreich, der sich gerade im spanischen Valladolid aufhält, und erinnert sich dabei an den Elefanten Salomon und seinen Mahut Subhro. Das exotische Tier fristet ein trostloses Dasein am königlichen Hofe, da er nicht zur Arbeit eingesetzt wird und seit 2 Jahren nutzlos dahinvegetiert. Also beschließt man, den Elefanten auf die Reise zu schicken. Zuerst zusammen mit einer Abordnung der portugiesischen Armee in Richtung spanische Grenze, damit ihn dort die Soldaten Maximilians in Empfang nehmen können und weiter nach Valladolid bringen. Von dort aus dann soll er zusammen mit der kaiserlichen Entourage nach Wien verbracht werden. Hört sich einfach an, ist es aber nicht.
"Lässt man der Zeit nur Zeit, werden alle Dinge des Universums sich ineinanderfügen" (Seite 17)
Und so begeben sich Salomon und Subhro auf ihre abenteuerliche Reise. Natürlich ruft Salomon allenortes Erstaunen hervor, denn wer hat in Europa schon im 16. Jahrhundert von der Existenz eines Elefantens gehört geschweige denn einen gesehen. So kommt es auch zu allerlei skurilen Szenen, angefangen von Teufelsaustreibungen bis hin zur Instrumentalisierung des Elefanten als katholisches Wunder und antiprotestantische Propaganda. Alles gipfelt in der gefährlichen Überquerung der Alpen und endet unspektakulär in Wien, wo sich die Spuren unserer Helden dann auch im Dunkel der Zeit verlieren.
"Die Vergangenheit ist eine riesige Steinwüste, die viele am liebsten wie auf einer Art Autobahn durchquerten, während andere geduldig von Stein zu Stein wandern und jeden einzelnen hochheben, weil sie wissen müssen, was sich darunter befindet." (Seite 31)
José Saramago schlägt beim Erzählen dieser unerhörten Geschichte eher die leisen Töne an und immer wieder schimmert nurmehr eine Art Altersweisheit durch die Zeilen. Mit einem leicht zwinkernden Auge tritt er immer wieder einen Schritt aus seiner Erzählung zurück und kommentiert die Vorkommnisse mit philosophischer Weitsicht. Dabei legt er großen Wert auf den Charakter seiner Figuren und die innere Entwicklung seines Helden Subhro.
"Wir müssen an dieser Stelle zugeben, dass der leicht ironische Ton, der sich auf diesen Seiten stets eingeschlichen hat, wenn von Österreich und seinen Bewohnern die Rede war, nicht nur aggressiv, sondern auch eindeutig ungerecht war..." (Seite 162)
Manchmal geraten seine Überlegungen zum Sinn des Lebens stellenweise etwas lang, andererseits rücken sie die Erzählung in die ihr angemessene Perspektive und verschaffen dem knappen Novellenstoff einen soliden Unterbau. Interessantes Indiz am Rande ist der wahrscheinlich gezielt laxe Umgang mit Satzzeichen. Über weite Stellen fehlen diese sogar vollständig und machen so dem Leser bewusst, dass das Lesen eines Textes üblicherweise vom Rhythmus der Interpunktion bestimmt wird. Fehlt diese fehlen dem Auge auch die Orientierungspunkte und man ist gezwungen, genauer hinzusehen. Erinnert hat mich die Geschichte sehr an Lawrence Norfolks fulminantes und weit unterschätztes Werk "Ein Nashorn für den Papst", in dem ebenfalls die Geschichte eines exotischen Tieres erzählt wird, das als Geschenk an den Hof eines Renaissance-Papstes gebracht werden soll. Das sollte ich unbedingt mal wieder lesen....
Fazit: Eine Novelle in ganz besonders leisen Tönen, die von einer unerhörten Begebenheit in einer fremden, vergangenen Zeit auf unterhaltsame Weise berichtet. Lesen!
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