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Samstag, 5. September 2009

"Was hätten Sie denn getan?" - Bernhard Schlink 'Der Vorleser'

Kaum ein Buch ist in den letzten Jahren (ok, das ist jetzt auch schon gut 10 Jahre her...) mehr gelobt und mit Preisen bedacht worden als Bernhard Schlinks kurzer Roman "Der Vorleser", dessen oskarprämierte Verfilmung mit Kate Winslet und Ralph Fiennes in den Hauptrollen das Buch dieses Jahr wieder aktuell ins Gespräch und mit entsprechendem Medienrummel in den Handel gebracht hat. Da ich den Film noch nicht gesehen habe (und das ist stets eine gute Ausgangssituation), nahm ich mir also zuerst das Buch vor...

"Weil die Wahrheit dessen, was man redet, das ist, was man tut, kann man das Reden auch lassen"

Es ist schon paradox. Ich könnte jetzt versuchen, über den Roman zu schreiben, ohne etwas von den "Überraschungen" zu erzählen, die er über die beteiligten Personen bereithält, und die einiges zur Spannung während des Lesens beitragen. Aber dann würde sich die Rezension lesen wie ein Klappentext und die abschließende (durchaus positive) Wertung würde klingen wie ein Werbetext. Der Kinotrailer alleine aber reicht schon aus, um diese wichtigen Eckpunkte des Romans vorwegzunehmen. Da mir der Roman trotz dieses Vorwissens sehr gut gefallen hat und sich immer noch Spannung einstellte, werden ich an dieser Stelle also auch nicht mit Informationen geizen. Wer sich die ganze Spannung erhalten will, der muss jetzt aufhören zu lesen und darf sich nur noch dem Fazit am Ende des Blogposts zuwenden.

Die Handlung in aller Kürze: Ein 15-jähriger kränkelnder Junge lernt irgendwann in der Nachkriegszeit eine fast doppelt so alte Frau kennen und verliebt sich in sie. So unglaublich es klingt, aber es entwickelt sich ein der Öffentlichkeit verborgenes, eigenartiges Liebesverhältnis zwischen den beiden. Dabei wird das "Vorlesen", um das die Frau den Jungen bittet, zu einer Art Ritual. Aber plötzlich verschwindet die Frau spurlos aus dem Leben des Jungen.

Jahre später trifft der Junge die Frau im Gerichtsaal wieder. Im Rahmen eines Jura-Seminars besucht er als Student regelmäßig einen Prozess gegen weibliche KZ-Aufseherinnen. Hanna, die Geliebte, sitzt unter den Angeklagten, aber sie ignoriert seine Anwesenheit im Gerichtsaal. Im Zuge des Prozesses wird dem Jungen klar, dass er nicht der erste war, der Hanna vorgelesen hat, und dass das Vorlesen einen ganz bestimmten Grund hatte: Hanna kann nicht lesen.

Damit sind die Figuren fertig aufgestellt für die psychologische Schachpartie und das Ringen des Ich-Erzählers mit seinem Gewissen, seinen Gefühlen, seiner Reue, seiner Scham und seinem Verantwortungsbewusstsein. Bernhard Schlink gelingt es in diesem kurzen Roman auf eindrucksvolle und einfühlsame Weise, der deutschen Vergangenheitsbewältigung eine bislang noch nicht gekannte Seite abzugewinnen. Schuld und Verantwortung werden dem eigenen, persönlichen Gefühlschaos gegenübergestellt und diese schwierigen ethischen und philosophischen Fragen mit der eigenen Lebenswelt des Ich-Erzählers gekonnt verknüpft. Viele innere Monologe des Ich-Erzählers lassen uns dessen Gewissensbisse und innere Zerrissenheit nachempfinden. Noch habe ich den Film nicht gesehen. Ich weiß auch noch nicht, ob ich ihn mir noch ansehen werde, da ich mir durch das Buch bereits meine eigene Welt vor meinem inneren geistigen Auge geschaffen habe.

Fazit: Ein kurzes, einfühlsames und dazu einfach zu lesendes Romanstück, das einen zum Nachdenken bringt über Fragen der Schuld und der Verantwortung. Damit also nicht unbedingt ein Thema für jedermann. Mir persönlich hat es gut gefallen. LESEN!

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