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Samstag, 21. November 2009

Der weite Weg zur Bibliothek 2.0... - Uwe Jochums 'Kleine Bibliotheksgeschichte'

Bibliotheken haben mich schon immer fasziniert. Angefangen von unserer kleinen Kirchengemeindenbücherei, in der ich bereits als ABC-Schütze zum Stammkunden wurde über diverse Universitätsbibliotheken während des Studiums bis hin zu den klassischen Kathedralen des Wissens. Im Zuge der Recherchen für mein Buch 'Digitale Kommunikation', das sich zum Thema Mediengeschichte auch einen kleinen Abstecher in die Bibliotheksgeschichte leistet, bin ich auch auf Uwe Jochums 'Kleine Bibliotheksgeschichte' gestoßen.

Bereits 1993 erschien Uwe Jochums 'Kleine Bibliotheksgeschichte', die heute in der 3. verbesserten und erweiterten Auflage vorliegt. In unterhaltsamer Weise führt uns Jochum entlang einer Reise durch mehr als 30.000 Jahre Geschichte. Beginnend mit den ersten Felszeichnungen und den Ursprüngen der Zivilisation, über die Reiche des Altertums hinein ins christliche Mittelalter, weiter zu Renaissance, Barock, Klassik und Moderne. Wir hören von der ersten nachgewiesenen Bibliothek des assyrischen Herrschers Assurbanipal in Ninive aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert mit ihren 5.000 - 10.000 in Keilschrift verfassten Tontafeln. Weiter führt uns Jochum die herausragende Stellung der altägyptischen Schreiber vor Augen und erzählt von der noch viel älteren Bibliothek des Ramesseums, des Grabmals des ägyptischen Pharaos Ramses des Großen, von der wir nur durch den Bericht des römischen Geschichtsschreibers Diodor Siculus wissen, die aber bis heute noch nicht eindeutig lokalisiert werden konnte.

Natürlich wird auch die Geschichte der bedeutendsten Bibliothek des gesamten Altertums erzählt, der großen Bibliothek von Alexandria, über deren Bestände und vor allem über ihren Niedergang sich zahlreiche Legenden ranken. Fakt ist, die alexandrinische Bibliothek hat das Altertum nicht überlebt. Ihre Bestände sind wahrscheinlich durch Brände und Kriege verloren gegangen und nur ein geringer Bestand der Literatur des Altertums konnte durch das beflissentliche Kopieren und Bewahren durch die christlichen Mönchsorden bis in unsere Zeit gerettet werden.

Humanismus und Renaissance bringen die antiken Autoren wieder ans Licht, die barocke "Sammelleidenschaft" lässt zahlreiche großartige Privatbibliotheken entstehen. Insbesondere die Erfindung des Buchdrucks sorgt für eine vormals kaum möglich gehaltene Menge an Büchern und führt geradezu zu einer Explosion der Vielfalt. Wir erleben die ersten Schritte zum Aufbau von Nationalbibliotheken, den Abschied von der Universalbibliothek und den Weg zur öffentlichen Bibliothek. Über das 19. Jahrhundert hinweg führt uns Jochum in das Zeitalter der modernen Informationsverarbeitung hin zu hybriden Bibliotheken und dem World Wide Web.

Wunderbar ist vor allem die knapp 30-Seitige Bibliografie am Ende des Buches und die vielen, im Text vorhandenen bibliografischen Referenzen, die dieses kleine Buch so nützlich machen. Eine nützliche Ergänzung wären noch Fotografien und Illustrationen gewesen, aber diese findet man in Jochums neuer "Geschichte der abendländischen Bibliotheken", die als gebundene Ausgabe gegenüber dem kleinen Reclam-Bändchen natürlich auch entsprechend teurer geraten ist.

Leider sind die aktuellen Themen Web 2.0 in Bibliotheken, Blogs, Wikis, Twitter & Co. noch nicht Bestandteil der 'Bibliotheksgeschichte', so auch nicht in diesem Buch. Dennoch sollte man die Bedeutung dieser neuen informations- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten vor allem für die Bibliotheken nicht unterschätzen, sei es zur Informationsweitergabe und Selbstdarstellung, zur Erschließung und Kategorisierung der Bestände, zum Aufbau von und Interaktion in sozialen Netzwerken und darauf basierender, intelligenter Such- und Empfehlungsmechanismen. Es ist eben noch ein weiter Weg, bis dieser Bereich sich etabliert und damit Aufnahme in eine Bibliotheksgeschichte findet. Aber es bleibt ja stets Raum für eine weitere, erweiterte Neuauflage...

Fazit: Auch ohne mein vorhandenes berufliches Interesse kann ich diese kleine Bibliotheksgeschichte reinen Gewissens allen empfehlen, die eine Liebe zu Büchern entwickelt haben und sich über die Ursprünge und Geschichte unserer Lesekultur fundiert, aber doch unterhaltsam informieren wollen.

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