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Sonntag, 15. November 2009

Und nun einmal etwas ganz anderes... Katharina Hagena 'Der Geschmack von Apfelkernen'

Gab es hier im Blog zuletzt noch Science Fiction Klassiker, Literaturnobelpreisträger und ähnliches, kommt heute einmal etwas ganz anders daher, das sich in meine Leseliste geschlichen hat. Eine Familiengeheimnis-, Lebenskrisen- und Vergangenheitsbewältigungskiste, die aber überrascht und die es verstand, selbst einen Lesesnob wie mich in ihren Bann zu schlagen...und das nicht nur wegen des wunderschönen Einbands.

Die Geschichte an sich ist auf den ersten Blick sogar etwas dünn. Bertha stirbt, und ihre Enkelin Iris erbt das Haus der einst großen Familie irgendwo in einer norddeutschen Kleinstadt, in dem Iris und ihre Cousine Rosemarie ihre Kindertage verbrachten. Das Haus steht inzwischen leer, der Garten ist verwildert, und Iris entschließt sich, für einige Zeit nach der Beerdigung ihrer Großmutter in dem Haus zu bleiben, um zu entscheiden, was sie mit ihrem Erbe anfangen soll. So startet ein Trip in die Vergangenheit der Familie und der Leser wird Zeuge, wie sich Iris' Erinnerungen Bruchstück für Bruchstück mit der noch im dunklen liegenden Geschichte ihrer Großmutter Bertha, ihres Großvaters, ihrer drei Tanten und ihrer Cousine zu einem allmählich sich herausbildenden Ganzen zusammensetzen.

Dabei herrscht eine Art magischer Aura über dem Haus, so dass einschneidende Ereignisse und Gefühlsausbrüche stets mit "kleinen Wundern" einhergehen, bei dem die Apfelblüte zweimal im Jahr kommt, Äpfel über Nacht reif werden oder aus roten Johannisbeeren mit einem Mal Weiße werden, aus denen eine Marmelade mit dem wunderbaren Namen "konservierte Tränen" eingekocht wird. Mehr und mehr Unerwartetes kommt im Laufe der Zeit ans Licht, die Iris in dem alten Haus am Ort ihrer Kindheit verbringt. Genau wie die Großmutter Bertha nach einem Sturz mehr und mehr ihr Gedächtnis verloren hat, kommen Iris die Erinnerungen an ihre Kindheit und an den Unfall ihrer Cousine Rosemarie zurück, hinter dem ein trauriges Geheimnis steckt.
"Schon immer begannen die Bewegungen des Schicksals - auch in unserer Familie - mit einem Sturz. Und mit einem Apfel..."
Bittersüß ist diese nur knapp 250 Seiten kurze Geschichte und Katharina Hagena bietet in ihrem Roman "Der Geschmack von Apfelkernen" ein wahres Feuerwerk an Geruchs-, Geschmacks und anderen Sinneseindrücken, die der geneigte Leser nachempfinden darf. Erinnern und Vergessen sind ein weiteres wichtiges Thema, das sich durch die Geschichte dreier Generationen von Frauen hindurchzieht. Erinnerungen sind immer auch an Sinneseindrücke gebunden. Wir fühlen, hören, sehen, schmecken und riechen die Welt unserer Wahrnehmung und können diese Sinneseindrücke in unserer Erinnerung abrufen. So sind wir in der Lage, uns wieder und wieder in eine längst vergangene Situation hineinzuversetzen. So ist auch dieses Erstlingswerk der Autorin nichts anderes als eine große "Nostalgie", eine manchmal "wehmütige Hinwendung zu vergangenen Zeiten, die in der Erinnerung oftmals idealisiert und verklärt" werden kann.

Fazit: Eine generationenübergreifende, abwechslungsreiche Familiengeschichte, spannend, eindrücklich und bittersüß erzählt. LESEN!

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