Der walisische Autor Jasper Fforde ist ja eigentlich Kameramann (Kamera-Assistent um genau zu sein) und laut Wikipedia gar kein so unbekannter. Dort steht nämlich zu lesen, er habe z.B. in 'Goldeneye' oder 'The Saint' hinter der Kamera gestanden. Aber, er hat auch eine Figur und mit ihr verbunden eine alternative Welt erfunden, die es mittlerweile sogar auf mehrere Fortsetzungsbände gebracht hat: Thursday Next, die Literatur-Agentin. Nein, nicht wie wir das jetzt verstehen würden. Denn in Ffordes Welt, ist Literatur eine ernst zu nehmende Sache und Thursday Next ist Officer der paramilitärischen Special Ops Network Organisation. Eine ihrer vielen Unterabteilungen beschäftigt sich mit 'literarischen Verbrechen', so z.B. mit dem Aufspüren von illegal gedruckten oder gefälschten literarischen Werken. Laut Verlagstext handelt es sich bei Miss Next um eine krude Mischung aus Bridget Jones und Dirty Harry. Den etwas feinsinnigeren unter uns sträubt sich jetzt mit Sicherheit bereits das ein oder andere Nackenhaar...
Doch damit nicht genug. Jasper Fforde beschreibt uns eine Alternativwelt, in der England nicht das uns bekannte vereinigte Königreich darstellt, sondern eine geteilte Republik mit einem unabhängigen Wales ist, die sich seit mehr als einem Jahrhundert mit dem zaristischen Russland im noch nicht entschiedenen Krimkrieg befindet. Um es noch ein wenig weiter auf die Spitze zu treiben, sind Zeitreisen anscheinend nichts wirklich besonderes in dieser Welt, während auf der anderen Seite Überlandreisen mit der guten alten Eisenbahn oder in Luftschiffen unternommen werden, und dann auch noch Werwölfe, Vampire und Geister ein durch und durch reales Dasein fristen...
Doch es passieren dann doch wirklich 'unerhörte Dinge'. Alles fängt damit an, dass das Original Dickens-Manuskript des Romans 'Martin Chuzzlewit' gestohlen wird und dann noch tatsächlich eine anscheinend aus diesem Roman stammende Figur tot auf dem Seziertisch eines Polizeipathologen liegt und folglich auch nicht mehr weiter im Roman auftaucht, sondern verschwunden bleibt. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind auf einmal durchlässig geworden, dank einer genialen Erfindung von Thursdays Onkel Mycroft (ja, genau...so hieß übrigens auch der hochintelligente Bruder von Sherlock Holmes), einem verschrobenen Erfinder, Mathematiker und Physiker. Hades Acheron (was für ein dämlicher Name), ein unglaublich durchtriebener Schurke, ausgestattet mit übermenschlichen Kräften, erpresst das Land mit der Drohung, ein Nationalheiligtum Englands unwiderruflich zu zerstören: Er bringt Mycroft in seine Gewalt und entführt Jane Eyre mitten aus Charlotte Brontes gleichnamiger Geschichte (um genau zu sein irgendwo auf Seite 120) und da das Buch in Janes Ich-Erzählperspektive geschrieben ist, sind plötzlich alle nachfolgenden Seiten leer....
Klingt alles ziemlich aberwitzig? Ist es auch! Aber irgendwie konnte ich mit dieser Welt nicht wirklich warm werden. Letztendlich wurde es dann selbst mir zu 'seltsam'. Zeitreisen gepaart mit Vampiren, Shakespeare und Bronte ... das ist schon starker Tobak. Dabei ist die Grundidee, sich einen Klassiker herauszugreifen und etwas aus der Geschichte zu 'remixen' gar nicht so schlecht. Der Erfolg solcher literarischer Remixe, wie z.B. der Jane Austen-Verschnitt 'Stolz und Vorurteil und Zombies' scheint dem ganzen ja recht zu geben. Mögen muss man es dabei aber noch lange nicht.
Die Figuren des Romans waren mir allesamt zu plakativ und es fehlen die Erklärungen. Woher stammen die 'Superkräfte' des Ultrabösewichts? Warum ist er so geworden, wie er ist? Er war doch vorher anscheinend ein mehr oder wenig 'harmloser' Literaturdozent. Und überhaupt, warum ist Literatur in dieser Welt so ungeheuer wichtig? Vielleicht bieten ja die übrigen Thursday Next Bände hier weitere Aufschlüsse, aber ich habe erst einmal genug von dieser seltsamen Welt. Die einzigen guten Stellen des Romans waren die, in denen Fforde kräftig aus Charlotte Brontes Werk zitiert und mit der Geschichte spielt. Doch wahrscheinlich haben mir diese Stellen doch nur gefallen, weil ich 'Jane Eyre' so gerne habe (sie auch meine Rezension 'Aschenbrödel bekommt etwas lädierten Prinzen').
Fazit: Da versucht einer an Douglas Adams kruden Sinn für exzentrische Geschichten anzuknüpfen, hat eigentlich eine ganz gute Idee, schießt aber meiner Meinung nach etwas über das Ziel hinaus. Weniger wäre wohl eher mehr gewesen.
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