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Donnerstag, 18. August 2011

Alles wegen Ada - Friedrich C. Delius 'Die Frau, für die ich den Computer erfand'

Konrad Zuse, das lange verkannte Genie, hatte hier in Deutschland schon immer einen schweren Stand. Wer weiß schon, dass im vergangenen Jahr, anlässlich Zuses 100-ten Geburtstag, tatsächlich auch das "Zuse-Jahr" gefeiert wurde, mit dem der Erfinder des Computers gebührend gewürdigt werden sollte. Und überhaupt war es ein langer Kampf, bis Zuse tatsächlich die Anerkennung bekam, die ihm zustand. Für mich als Informatiker ist Friedrich C. Delius' Roman 'Die Frau, für den ich den Computer erfand' auch ein ganz besonderes Stück, das ich aus meinem persönlichen Blickwinkel heraus betrachte und bewerte.

Überhaupt hörte ich erst etwas von Konrad Zuses Existenz und Bedeutung, als ich damals in München mein Informatikstudium begann. Zu dieser Zeit war der geniale, aber wenig vom Glück begünstigte Tüftler und Erfinder einer deutschen Öffentlichkeit kaum bekannt, obwohl er tatsächlich verantwortlich ist für die heute wohl wichtigste und bahnbrechendste technische Erfindung der letzten 50 Jahre. Naja, natürlich ist er das, aber die Geschichte geht eben ihren eigenen Lauf bzw. wird die Geschichte - wie es ja immer heißt - von den Siegern geschrieben. Und das waren nach Ende des 2. Weltkrieges natürlich Amerikaner und Briten, die mit ihren eigenen Entwicklungen auf dem Gebiet der Informatik zwar ein gutes Stück hinter Konrad Zuse zurück lagen, doch wusste leider auch niemand davon.

Aber erst einmal alles der Reihe nach. Delius schrieb dieses Buch als gut 150-seitigen Monolog Konrad Zuses, ein Gespräch mit einem Journalisten Mitte der 1980er Jahre, das an einem einzigen Abend stattfand und bis in die Morgenstunden andauerte. Schauplatz des Geschehens war der hessische Stoppelsberg, ein erloschener Vulkan in der Rhön, nahe Zuses früherer Wirkungsstätte. Für einen Informatiker kommt Zuse zunächst allzu klassisch gebildet daher, zumindest was das allgemeine Klischee meiner Zunft betrifft, das uns ja Scheuklappen und Berufsblindheit attestiert. Er betrachtet sich und seine Arbeit unter dem Aspekt der Faust-Geschichte, in der Mephisto den genialen Wissenschaftler Faust um den Preis seiner Seele verführt.

Allerdings gibt es kein Gretchen, für die Zuse den Computer erfand -- die war ja auch nur ein 14-jähriges, unschuldiges Mädchen in der Faust-Geschichte. Vielmehr müssen wir an dieser Stelle schon Teil 2 der Tragödie bemühen, und unserem Zuse eine Helena zu suchen. Wer kann dabei anderes in Frage kommen, als die "Mutter" aller Programmierer, nämlich Ada Augusta Byron Countess of Lovelace, Tochter des berühmten Lord Byron und Assistentin des genialen Charles Babbage, der bereits im 19. Jahrhundert die Idee der universalen Rechenmaschine mit seiner mechanisch betriebenen Analytical Engine vorwegnahm, die zwar nur eine Idee auf dem Papier blieb, aber für die Ada doch die allerersten Computerprogramme entwickelt und geschrieben haben soll. Zuse liest in einer Bibliothek über Ada in einer kleinen Randnotiz eines Mathematikbuches und verliebt sich in die Idee, dass es da eine Frau, zumal eine Mathematikerin gegeben hat, die zwar über 100 Jahre vor ihm gelebt hat, die ihm aber seelenverwandt erscheint. Sie ist es, die zur Triebfeder seiner Ingenieurskunst wird, und die ihn über die Jahre hinweg stets -- wenn auch nur in Gedanken -- begleitet.

Wir erfahren eine Menge über Zuse und die Geschichte des Computers. Angefangen mit dem bereits legendären leergeräumten Wohnzimmer von Zuses Eltern, in der er zusammen mit Freunden und unterstützt von seiner Familie die allererste, zunächst noch mechanische Rechenmaschine baut, dann die erste elektromechanische Rechenmaschine bis hin zu den Ideen des allerersten vollelektronischen Universalrechners. Wir hören von all den Problemen, die die Kriegszeit mit sich brachte, und Zuses abenteuerlichen Flucht aus Berlin am Ende des Krieges. Als er dann nach dem Krieg versucht, seine Firma aufzubauen, scheiterte er nur allzu oft am technischen Unverständnis der deutschen Nachkriegswirtschaft, die die Bedeutung und Tragweite der neuen Computer noch nicht einschätzen kann. Dies geht sogar soweit, dass sich das Patentamt nahezu 20 Jahre Zeit lässt, um über Zuses Patent für den Computer zu entscheiden, um es anschließend wegen "mangelnder Erfindungshöhe" abzuweisen.

Delius wählt die ungewöhnliche Erzählform des Monologs, um die Geschichte mit Zuses eigenen Worten zu erzählen. Dies verleiht ihr Authentizität und hält den Leser auch dann bei der Stange, wenn er kein Informatiker sein sollte. Natürlich handelt es sich um einen Roman, also um eine fiktive Geschichte. Allerdings hat Delius dennoch eine Menge Fakten und historische Tatsachen um den seltsamen deutschen Erfinder gesammelt, die dem Leser auf kurzweilige und unterhaltsame Weise präsentiert werden.

Fazit: Die ungewöhnliche Geschichte eines ungewöhnlichen "deutschen" Erfinders, der seiner Zeit um Jahre voraus war ... das war allerdings auch sein Pech! Unbedingt lesen, auch für Nichtinformatiker!
Friedrich Christian Delius:
Rowohlt, Berlin (2009)
288 Seiten
19,90 Euro