Diesmal habe ich längere Zeit darüber grübeln müssen, welchen Titel ich am besten über diesen Beitrag stellen soll. Werde ich präziser, wird der Titel viel zu lang und ich kann es mir eigentlich sparen dann noch etwas zum Inhalt des Buches zu erzählen. Also habe ich es diesmal einfach bei einer Kernaussage belassen, die zwar zutrifft, aber relativ wenig über den eigentlichen Inhalt aussagt. Tatsächlich vereint das Buch zwei verschiedene Bücher bzw. zwei ozeitlich sehr, sehr lange auseinanderliegende Handlungsstränge, die Sibylle Knaus, Professorin für Text und Dramaturgie an der Filmakademie Baden-Württemberg, hier phantasievoll und unterhaltsam miteinander verknüpft.
Wir schreiben das Jahr 1935. Auf einer Dinner-Party in Cambridge lernt die junge Studentin Mary den zu dieser Zeit bereits berühmten Archäologen Louis Leaky kennen und verliebt sich trotz zahlreicher Warnungen in den notorischen Frauenhelden. Allerdings ist Leakey bereits verheiratet und hat Familie. Dennoch folgt sie ihm nach Ostafrika in seine Heimat und es beginnt eine die beiden lebenslang verbindende Arbeits- und schließlich auch Lebensgemeinschaft. Dort in der afrikanischen Wildnis inmitten von nachts umherstreunenden Löwen, Hyänen und Schakalen schlagen sie ihr Zelt auf und begeben sich auf die mühevolle und akribische Suche nach den Spuren der Anfänge der Menschheitsgeschichte. Parallel zum Leben, Lieben und Arbeiten der beiden Leakeys -- Louis lässt sich schließlich scheiden und heiratet Mary -- erzählt Sibylle Knauss die Geschichte unserer Vorfahren in einer ursprünglichen und wilden Urwelt mit dem täglichen Kampf ums Überleben.
Zugegeben, die Geschichte der Leakeys mit der eigenwilligen und eigenbrödlerischen Mary und ihrem um einiges älteren Mann Louis, der die Finger nicht von den jungen Studentinnen lassen kann, die ihn auf Schritt und Tritt anhimmeln, ist schon interessant genug, hätte das Buch aber alleine nicht getragen, auch wenn immer wieder von den bahnbrechenden Entdeckungen des Forscherehepaares berichtet wird. Spannend wird es dann, wenn Sibylle Knauss aus einer Zeit berichtet, aus der uns außer einigen Knochenresten und Steinen nichts mehr geblieben ist, und sie ihre grenzenlose Phantasie bemüht, uns ein Bild von dieser nicht gerade paradiesischen Welt aus dem eigenen Blickwinkel ihrer Bewohner schildert, die zu Beginn noch nicht einmal über eine Sprache verfügen. Wie haben diese primitiven Hominiden gedacht, wie haben sie gefühlt, und wie haben sie eine Welt erlebt, in der die Suche nach Nahrung und der Kampf ums Dasein jeden Tag von Neuem gekämpft werden musste. So erleben wir den faszinierenden Vorgang der Menschwerdung Schritt für Schritt mit, parallel zu den stetig eskalierenden Ehedramen der Leakeys. An manchen Stellen hat Frau Knauss etwas zu dick für meinen Geschmack aufgetragen und der immer wieder durchschimmernde Pathos der Schöpfungsgeschichte scheint mir zu verklärt, aber alles in allem ist ihr mit diesem Buch ein ungewöhnliches, interessantes und zugleich unterhaltsames Werk gelungen.
Fazit: Urgeschichte und Ehedrama zugleich bilden eine überaus interessante und vorallem ungewohnte Form der Lektüre. Lesen!
Sibylle Knaus
Eden
Hoffmann und Campe (2009)
384 Seiten
22,- Euro