Elizabeth Philpot, eine junge Frau aus besseren Londoner Kreisen, hat keine Aussicht mehr auf eine gute Partie, da sie ihren 25. Geburtstag bereits hinter sich gelassen hat, nicht übermäßig von der Natur mit Schönheit bedacht wurde und auch nicht die Erbin eines großen Vermögens ist -- befinden wir uns doch in England und zwar in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. So schlägt der Bruder den drei Philpot-Schwestern nach dem Tod ihrer Eltern vor, das kostspielige elterliche Domizil in London aufzugeben und in den kleinen Küstenort Lyme Regis in Englands Südwesten zu ziehen.
Schon dieser Anfang lässt uns unweigerlich auch an den Umzug der Familie Dashwood aus Jane Austens 'Verstand und Gefühl' denken, die nach dem Tod des Ehemannes und Vaters vom Bruder an die Luft gesetzt werden und sich in bescheideneren Verhältnissen auf dem Lande zurecht finden müssen. Doch Lyme Regis ist ein ganz besonderer Küstenort, da man hier am Strand zahlreiche und gut erhaltene Fossilien finden kann, ein Hobby, dass wie geschaffen scheint für die kluge und umtriebige Miss Elizabeth Philpot.
Dabei lernt sie auch die kleine Mary Anning kennen, das Mädchen, das als Kleinkind vom Blitz getroffen wurde, die sich als wahre Meisterin im Fossiliensammeln erweist und so das kleine Zimmermansgeschäft ihres Vaters mit dem Verkauf der Fossilienfunde an die Touristen unterstützt. Die beiden so unterschiedlichen Frauen -- die unverheiratete Dame der besseren Gesellschaft und die aus einfachen Verhältnissen stammende Schreinerstochter -- kommen sich über ihre Passion näher und widmen ihr ganzes Leben den rätselhaften, zu Stein gewordenen Lebewesen, über deren Natur und Ursprung die damalige Fachwelt lange stritt, da dieser doch das vorherrschend christlich-abendländische Weltbild in seinen Grundfesten zu erschüttern drohte. So werden den beiden 'Forscherinnen' so mancher Stein in den Weg gelegt und sie müssen sich ihren Platz in der wissenschaftlichen Männerdomäne unter großen Verlusten erkämpfen.
"Schon bald nach unserer Ankunft in Morley Cottage erkor ich Fossilien zu meiner neuen Leidenschaft. Irgendeinen Zeitvertreib brauchte ich schließlich: Ich war fünfundzwanzig, würde wahrscheinlich niemals heiraten und suchte nach einer Liebhaberei, die meine Tage ausfüllen konnte. Das Leben einer Dame kann unendlich öde und langweilig sein."(Seite 24)
"Mary Anning und ich sind am Strand und suchen Fossilien, sie ihre Riesenbestien, ich meine Fische. Unsere Augen wandern über den Sand und die Klippen, während wir in unterschiedlichem Tempo die Küste entlang gehen. Mal läuft die eine vorne, mal die andere....Wir reden wenig miteinander, denn das haben wir nicht nötig, wir können zusammen schweigen. Jede ist in ihrer eigenen Welt und weiß doch, dass sie sich nur umdrehen muss, um die andere zu sehen."(Seite 361)
Der Verlag selbst bewirbt das Buch mit dem Bezug zu Jane Austen, doch außer den geschilderten Umständen und der Epoche kann es der unterhaltsame Roman nicht wirklich mit seinen großen Vorbildern aufnehmen. Zu dünn ist die charakterliche Zeichnung geraten, zu schnell und oberflächlich wird zu Gunsten einer rasch voranschreitenden Handlung auf die inneren Konflikte der beiden bemerkenswerten Frauen verzichtet. Dabei, und das ist das Außergewöhnliche, handelt es sich quasi um eine wahre Geschichte. Mary Anning und Elizabeth Philpot haben wirklich gelebt und Tracy Chevalier erzählt ihre Geschichte. Dabei legt sie eine große Leichtigkeit an den Tag, mit der sie auch in ihrem Vorgängerroman 'Das Mädchen mit dem Perlohrring' über die Dienstmagd Griet und den Maler Vermeer so großen Erfolg gehabt hatet. Ich vergleiche diese Schreibweise gerne mit 'Easy Listening'-Musik. Alles plätschert so dahin und macht beim Lesen keine große Mühe...und für einige Zeit ist es tatsächlich auch ganz unterhaltsam.
Fazit: Die Lektüre ist wie ein erholsamer, kurzweiliger und sehr relaxter Tag am Meer. Dort sollte man das Buch wohl auch am besten lesen!
Zwei bemerkenswerte Frauen
Knaus (2009)
368 Seiten
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