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Sonntag, 17. Februar 2013

Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben

Wie jedesmal freue ich mich sehr, an dieser Stelle einmal wieder eine Rezension von Claudia einzuleiten. Eine Rezension zu einem Buch, das ich selbst aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gelesen hätte. Gerade aus diesem Grund freue ich mich, weil damit das Biblionomicon auch etwas farbiger und vielschichtiger wird. Aber keine Vorschusslorbeeren, sondern lest lieber selbst:

Ich kann mich wirklich nicht beschweren – schließlich bin ich durchaus gewarnt worden. Aber als meine Nachbarin mich fragte, ob sie mir mal ein paar Leseexemplare aus ihrer Buchhandlung mitbringen solle, sagte ich natürlich: ja gerne! Sie vermutete, es solle sicher etwas „Anspruchsvolles“ sein. Naja, offenbar hatte ich einen Ruf zu verlieren und daraufhin habe ich mir etwas Anspruchsvolles gewünscht. Bekommen habe ich ein Buch von Sibylle Berg – ich gebe zu, dass ich bis dahin noch nichts von ihr gelesen hatte – inzwischen weiß ich auch warum! Völlig unbefangen bin ich gemeinsam mit Frau Berg auf mein Sofa gegangen und begann „Vielen Dank für das Leben“ zu lesen.

Die Geschichte sprach mich sofort an, fühlte ich mich doch gleich an Jeffrey Eugenides Roman „Middlesex“ erinnert, dessen Thematik mich sehr interessiert hat. Reingefallen, könnte sich Frau Berg denken, denn mit dem Roman hat ihr Werk so ziemlich gar nichts gemein. Aber beginnen wir am Anfang: Im Jahr 1966 kommt in der DDR ein Kind zur Welt:
Es ist ein ... fuhr sie fort, verstummte plötzlich, und schwere Stille wurde im Kreißsaal. Die Frau hörte nach Sekunden leisen Raunens ein Räuspern, dann wurde das Kind in ein Tuch gewickelt und ihr gereicht. Es ist gesund. Glaube ich. Sagte die Hebamme. Genaueres wird ihnen der Arzt sagen.“ (S. 13)
Kein Junge. Kein Mädchen, sondern ein Kind, dessen Geschlecht schlichtweg nicht definierbar scheint (zumindest nicht phänotypisch) verunsichert die sehr junge Mutter. Auf sich allein gestellt nimmt sie ihr Kind, das sie schließlich Toto nennen wird, mit nach Hause. Es ist ihr fremd, sie fühlt sich von dem Säugling geradezu beobachtet. Ihre Situation bessert sich nicht, als sie Toto beim Amt anmelden muss. Eine schroffe Beamtin (bisher waren eigentlich alle auftretenden Personen schroff zu ihr, sodass man schon Mitleid bekommt) kann es nicht fassen: „Das haben wir ja noch nie gehabt, dass ein Geschlecht unbestimmt ist, das kann ich so nicht dulden, wo kämen wir da hin, wenn jeder bei der Bestimmung seines Geschlechts nach Lust und Laune agiert.“ (S. 17). Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, bekommt Toto von seiner Mutter kurzerhand ein Geschlecht zugewiesen und wird ein Junge. Im Prinzip ist das der Ausgangspunk für eine Tragödie, die ihren Lauf nimmt, ja nehmen muss.

Toto wird in ein Kinderheim abgeschoben. In Anbetracht der ständigen Vernachlässigung durch die eigene Mutter, die sich im Vollrausch mit irgendwelchen Typen herumtreibt, sicher eine gute Entscheidung: „Fast rannte die Frau zurück in die Wohnung, eine Angst war da, Kind hätte sich etwas angetan, doch als sie die Tür öffnete und das Kind sah, wie es noch immer in unveränderter Position lag und abzuwarten schien, ahnte sie, dass sich mit ihm nie würde anfreunden können.“ (21).
Das Kinderheim ist so, wie man sich ein Kinderheim in der Literatur vorstellt: grauenerregend! Versunken in sich und seinem eingeschränkten Geist lebt oder besser existiert Toto, stets „ohne boshafte Gedanken oder Absichten“ (S. 53), denn die sind ihm/ihr fremd. Toto ist von Grund auf gut. Zarte Bindung erlebt er zu Kasimir, den man wohl als seinen einzigen positiven Eindruck in seinem bisherigen Leben bezeichnen kann. Dieser positive Eindruck hilft Toto die verachtenden und brutalen Übergriffe der Erzieherin zu überstehen. Frau Hagen terrorisiert ihre Schützlinge auf das Übelste. Toto entwickelt die Fähigkeit, sich aus den beängstigenden Situationen ‚hinauszufühlen‘:
„Frau Hagens Stimme überschlug sich, doch Toto hörte sie nicht. Er hatte einen Ort gefunden, wo er nichts mehr hörte, wenn er nicht wollte. Er lag hinter dem Brustbein, dort war es warm, dort hatte Kasimirs Hand gelegen.“ (S. 59)
...versöhnlich stimmt mich nach Totos Leid im Kinderheim, dass Frau Hagens ihr ‚gerechte‘ Strafe bekommt...Nach dem Heim kommt die Pflegefamilie. Auch hier ist er Repressalien ausgesetzt; lebt in einem Verschlag. Später bekommt Toto eine Wohnung hat eine Beziehung; setzt sich mit Homosexualität auseinander, was Sibylle Berg in epische Breite ausdiskutiert. Bis dahin hat mir die Geschichte gut gefallen. Toto ist mir ans Herz gewachsen. Der Leser fühlt mit. Hat Mitleid. Dann passiert das, was wohl in jedem ihrer Romane irgendwann passiert: er nimmt eine merkwürdige Wendung und, erlaubt mir die flapsige Wortwahl, dreht ab. Das, kam mir sofort in den Sinn, muss es sein, was viele potenzielle Leser schon beim Lesen des Namens ‚Sibylle Berg‘ auf dem Buchrücken abschrecken lässt.

Fazit: Wer Sibylle Berg mag, wird auch dieses Werk mögen. Für alle anderen gilt, lieber nicht!


Sibylle Berg
Vielen Dank für das Leben

Hanser Verlag, 2012
400 Seiten
21,90 Euro





Sonntag, 16. September 2012

Rachel Joyce 'Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry'

Heute nimmt sich Claudia einem der aktuellen 'Bestseller' in Ihrer Gastrezension an. Wir wissen ja eigentlich alle, dass das Prädikat 'Bestseller' lediglich Auskunft darüber gibt, was sich gut verkauft und nicht unbedingt auch für literarische Qualität steht. Aber wir wollen erst einmal nichts übers Knie brechen, sondern Claudia zu Wort kommen lassen....

Es gibt Bücher, die man auf keinen Fall lesen möchte. Das hat nicht immer einen bestimmten Grund. Manchmal schon, z.B. weil sie auf der Bestsellerliste folgendermaßen angepriesen werden: „So wie der Hundertjährige“ oder „Wenn Sie den Hundertjährigen mochten, dann mögen Sie auch Harold Fry“. Grund genug, die Finger davon zu lassen. Der 'Hundertjährige' flatterte mir als Leseexemplar auf den Nachttisch, als noch niemand an den Erfolg dieser Geschichte glauben konnte - der sich, wie ich finde, dann schnell und zurecht einstellte. Prinzipiell mag ich solche Geschichten - aber warum muss einem guten, originellen Buch immer gleich eine „Fälschung“ folgen. Naja, weil es, wenn es einmal funktioniert hat, auch ein zweites Mal funktionieren wird. Ich ärgerte mich beim Erscheinen der zweiten Pilgerreise nur darüber, dass sie erschienen war und ignorierte sie. Bis mich meine ehemalige, liebe Kollegin Anka bat, es zu lesen und ihr meine Meinung zu dieser Geschichte zu sagen. Sie selbst war sehr angetan von der „Fälschung“. Ich habe mich also breitschlagen lassen - zumindest empfand ich das so und setzte mich mit eben diesem Gefühl und Harold Fry in den Garten...

Wie immer ganz kurz zur Geschichte: Harold Fry lebt mit seiner Frau Maureen ein bescheidenen, langweiliges, ödes, Leben. Der Sohn David ist längst aus dem Haus, der Kontakt sporadisch. Der Alltagstrott ist lähmend. Zwischen die ordentlichen Gardinen, die blitzenden Fenster und den porentiefreinen Teppich flattert eines Tages der Brief einer alten Bekannten, Queenie Hennessy, ins Haus. Sie schreibt Harold, um sich zu verabschieden. Sie sei an Krebs erkrankt. Harold trifft diese Nachricht tief, obwohl er Queene beinahe vergessen hatte. Er versucht eine Antwort zu formulieren, was ihm sehr schwer fällt:
„Liebe Queenie, danke für Ihren Brief. Es tut mir leid. Alles Gute – Harold (Fry).“ (Seite 13). 
Er nimmt den Brief und will ihn zum Briefkasten bringen. Dort angekommen stellt er fest, dass der Tag recht schön ist und er sowieso nichts vorhabe. Er machte sich also zum nächsten Briefkasten auf und zum dann wieder zum nächsten und zum nächsten...Auf seinem Weg denkt er nach. Über sich, Maureen und David, seine Eltern. Neben allen Gedanken, die ihm nur so durch den Kopf zu schießen scheinen kristallisiert sich eine Frage heraus, die ihn plötzlich ergreift:
„Wer bin dann eigentlich ich?“ (S. 19). 
Er kommt auf eine völlig absurde Idee: er will zu Queenie laufen, bis nach Berwick, durch das ganze Land. Hinter dieser Idee steht noch ein viele verrücktere Idee, nämlich die, dass Queenie so lange leben würde, wie er sich auf dem Weg zu ihr befände. Er informiert das Hospiz, indem Queenie lebt:
„Sagen Sie ihr, Harold Fry ist auf dem Weg. Sie braucht nur durchzuhalten. Denn ich werde sie retten, wissen Sie. Ich werde laufen und sie muss weiterleben.“ (S. 28). 
Zugegeben eine völlig absurde Vorstellung - aber diese Vorstellung treibt Harold an zu laufen. Seine Reise ist nicht nur das Zurücklegen von Kilometern - eine Reise, insbesondere eine Pilgerreise, ist immer auch eine Reise zu sich selbst. So ergeht es in den einsamen Stunden auf seinem Weg auch Harold. Die Gedanken kreisen - um fast alles, was in seinem Leben eine Rolle gespielt hat. Auf diese Weise lernt der Leser Harold kennen - durch dessen Erinnerungen und Gedanken. Im Laufe des Buches wird Harold ein alter Bekannter; man erfährt vieles über seinen Beruf, die restliche Familie, die Beziehung zu seinem Sohn, die Beziehung zu seinem eigenen Vater, der verstört aus dem Krieg zurück kam. Immer wieder setzt er sich auch mit seiner Ehe zu Maureen auseinander. Anfangs nicht nur positiv, kommt er doch schließlich zu der wichtigen Erkenntnis:
„Er konnte sich selbst nicht mit einer anderen Frau als Maureen vorstellen. Sie hatten so viel miteinander geteilt. Ohne sie zu leben wäre, als würden ihm alle lebenswichtigen Organe genommen und von ihm bleibe nichts als eine leere, zerbrechliche Hülle.“ (S. 154). 
Parallel zu Harold durchlebt Maureen die gleichen Gedankengänge, grübelt und erinnert sich. Ihre Empfindungen schwanken ebenso wie Harolds. Anfangs wütend über sein Verschwinden, wird sie im Laufe der Zeit weicher und erinnert sich an den Mann, den sie einmal geliebt hatte.
„Maureen fragte sich, wo Harold wohl schlief, und wünschte, sie könne ihm gute Nacht sagen. Sie reckte den Hals zum Himmel und suchte in der Dämmerung nach dem ersten Sternfunkeln.“ (S. 185). 
Neben der Erkenntnis über sich und sein Leben ist Harolds Reise auch von totaler Erschöpfung geprägt - sie bringt Harold an die Grenzen seiner körperlichen und emotionalen Leistungsfähigkeit.

Wer jetzt eine philosophische Abhandlung über den Sinn des Lebens erwartet, den muss ich enttäuschen. Die Geschichte von Harold, oder besser, die Geschichte von Harold, Maureen und Queenie ist weit weniger als das. Hochtrabende Formulierungen oder sinnschwangere Gedanken der Protagonisten fehlen. Was der Leser bekommt ist ein zielsicherer Blick auf ein ganz normales Leben, das manchmal einen Anreiz braucht um sich aus seiner Tristesse zu befreien. Das Ganze ist gewürzt mit ein bisschen schüchterner Romantik, mit Dramatik, Trauer, aber auch Freude über die Menschen, denen man einfach so am Straßenrand begegnet.

Ich bin versöhnt mit der „Fälschung“, die doch ihre ganz eigene Qualität hat. Harold Fry lädt Sie ein mit auf seine Reise zu sich selbst zu gehen und mein Rat ist: gehen Sie ruhig mit!

Rachel Joyce
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry
Krüger Verlag (2012)
384 Seiten
18,99 Euro

Mittwoch, 27. Juni 2012

Enttäuschung für Monsterliebhaber - Rick Yancey 'Der Monstrumologe'

Wer kennt das nicht! Es gibt Themen auf die man sofort anspringt. Man kann sich ihnen einfach nicht entziehen – auch wenn sie an sich eigentlich nicht zu dem passen, was man sonst liest ... bei mir sind es (ich gestehe) Monster! Wenn sie mir dann auch noch so offenkundig präsentiert werden wie es bei Rick Yanceys „Der Monstrumologe“ der Fall ist, kann ich nicht widerstehen. Natürlich soll man ein Buch nicht nach seinem Äußeren beurteilen, aber das Cover ist nun einmal das Erste, was man von einem Buch zu sehen bekommt. Es in die Hand zu nehmen, um es dann umzudrehen und den Klappentext zu lesen - das ist erst der zweite Schritt. Zu einem gewissen Prozentsatz ist die Entscheidung für ein Buch zu diesem Zeitpunkt bereits gefallen. So ging es zumindest mir, als mir der Monstrumologe in die Finger fiel. Der schwarz-weißer Einband in holzstichartigem Design mit geprägtem Titel ließ mich zugreifen. Als ich dann den Klappentext las, war es um mich geschehen. Das Buch musste mit und es musste auch sofort gelesen werden, versprachen doch bereits die ersten Seiten spannende Unterhaltung.


Ein erstes der Bilder, mit denen das Buch nicht geizt (meist kleine Abbildungen am Rande einer Seite), zeigt ein Regal mit Gläsern, die mit unterschiedlichsten Körperteilen von Ungetümen und Monstern gefüllt sind (erinnert hat mich das an die anatomische Sammlung der Charité – die finde ich großartig...die Formulierung klingt lässiger, als ich sie meine, also besser: beeindruckend). Passend dazu ist gleich am Anfang die Definition der Monstrumologie zu lesen, damit der unwissende Leser auch gleich weiß, womit er es zu tun hat: 
„Das Studium von Kreaturen, die sich dem Menschen gegenüber grundsätzlich böswillig verhalten und deren Existenz von der Wissenschaft nicht anerkannt ist. Meist handelt es sich um Wesen, die man dem Reich der Mythen und Legenden zuordnet.“ (Klappentext)
Aber nun erst einmal ein paar Worte zur Handlung: Wir haben es mit einem altbekannten Motiv der Literatur zu tun. In einer (frei erfundenen) Stadt in Neuengland lebt im Jahr 1888 der Waisenjunge Will Henry beim kauzigen Wissenschaftler Dr. Warthrop. Schon Wills Eltern, die auf tragische Weise bei einem Brand – dessen Umstände im späteren Verlauf der Geschichte noch eine große Rolle spielen werden – ums Leben kamen, arbeiteten für Dr. Warthrop. Der Doktor widmet sich mit vollem Einsatz der Monstumologie, jener oben definierten, geheimen Wissenschaft. Will muss ihn bei seinem zumeist nächtlichen Sitzungen assistieren. Der arme Junge schläft dabei fast immer ein und wird dafür von seinem uneinsichtigen Doktor immer wieder zu Unrecht gemaßregelt. Das Mitleid des Lesers ist Will in jedem Fall gewiss – so wie vor ihm auch Harry Potter oder David Copperfield.

Der schrullige Doktor bekommt eines Abends ein besonders monströses Exemplar auf seinen Seziertisch: einen Anthropophagen. Dieses unbekannte Wesen zeichnet sich besonders durch eine Merkwürdigkeit aus, es ist kopflos. Seine Augen befinden sich auf der Brust und sein scharfzahniges Maul in seinem Bauch. Dr. Warthrope konsultiert seine einschlägige Monsterliteratur und ist sich bald sicher, dass er es mit einer großen Bedrohung zu tun hat – wie könnte es auch anders sein (diesen Schluss hätten wir vermutlich auch ohne Fachliteratur geschlossen, oder?)?

Über die weiteren Entwicklungen der Geschichte möchte ich gar nichts mehr verraten. Nur so viel: die erhoffte Spannung blieb leider aus. Die Geschichte an sich hat mir gut gefallen – wäre sie doch nur 200 Seiten kürzer gewesen. Ein paar gute Dialoge hätten dem Roman gut getan, die vorhandenen erscheinen mir alle sehr konstruiert und sprachlich nicht zu den Protagonisten passend. Das mag daher rühren, dass die Geschichte rückblickend erzählt wird. Will schreibt sie als betagter Mann auf und die an sich spannenden Stellen werden durch diese Form des Erzählens ziemlich steif und langweilig; ein Junge spricht mit den Worten eines Greises – das ist einfach nicht stimmig. Scheinbar war sich Yancey auch nicht sicher, ob er ein Buch für Erwachsene oder doch lieber ein Jungendbuch schreiben soll. Erschienen ist es zwar als Buch für Erwachsene, aber immer wieder findet man sich beim Lesen in der Jugendbuchwelt wieder – eigentlich ist es dafür aber zu blutrünstig.

Ich bin hin und her gerissen. An sich eine gute Geschichte, aber deutlich zu lang. Theoretisch durchaus spannend, aber zu langatmig geschrieben. Eigentlich ein Jugendbuch, dafür aber zu blutig. Erwachsenenliteratur, aber sprachlich eher Jugendbuch...Schade!

Der zweite Teil der bisher drei „Monstrumologenromane“ liegt bereits in den Buchhandlungen aus: „Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo“. Der dritte Teil ist bisher nur im englischen Original „The isle of blood“ erschienen. Ich für meinen Teil habe genug vom Monstrumologen und werde mir sowohl den zweiten als auch den dritten Teil verkneifen.


Wundervölker aus der Schedelschen Weltchronik
Von wirklichen Monstern
Die Idee des kopflosen Monsters ist nicht ganz neu und man hat den Eindruck, dass der „yanceyische Anthropophage“ direkt der Schedelschen Weltchronik entsprungen ist. Die 1493 bei Anton Koberger in Nürnberg erschienene Chronik des Hartmann Schedel (Arzt, Humanist und Historiker) gilt als Meisterwerk der Buchdruckkunst und liefert mit unglaublichen 1809 Holzschnitten aus der Wolgemut-Werkstatt (dort, wo Albrecht Dürer bis 1490 in die Lehre ging und im Zuge dessen vermutlich auch den ein oder anderen Holzschnitt für spätere Ausgaben beisteuerte) einen umfassenden Blick auf die Welt und wie man sie sich im 15. Jahrhundert vorstellte. Sie unterteilt die Geschichte der Welt in sieben Weltalter von der Erschaffung der Welt bis zum jüngsten Gericht.

Ein Abschnitt der Chronik berichtet über die „Wundervölker“, die in fremden Ländern wohnen und erstaunliche Besonderheiten aufweisen. Die in der Chronik detailliert beschriebenen Vorstellungen dieser Bewohner entstanden bereits in der Antike und wurden recht kritiklos in das Mittelalter transportiert. Wie stellte sich der Mensch des Mittelalters die Bewohner fremder Länder vor? Z.B. so:
„Item in dem land libia werden ettlich on hawbt geporn vnd haben mund vnd augen. Ettlich sind bederlay geslechts, die recht prust ist in manlich vnd die lingk weiblisch vnd vermischen sich vndereinand vn gepern.“ (Schedelsche Weltchronik, Blatt XII)
The Travells of Sir John Mandeville (ursprünglich 14. Jhd.)
Beschrieben wird hier kein Anthropophage, auch wenn sich Yancey ganz sicher hier bedient hat, sondern ein Blemmyae (auch Acephale), ein kopfloses Wesen, dessen Augen und Mund sich auf dem Rumpf befinden. Neben diesem Wesen stellte man sich noch viele andere vor. Was fehlende Gliedmaßen oder ungewöhnliche Proportionen betrifft, kannte die Phantasie offenbar keine Grenzen. Die Füße der Antipoden z.B. waren nach hinten gerichtet, sodass sie nur rückwärts laufen konnten. Die Skiapoden (Schattenfüßler) besaßen lediglich einen großen Fuß, mit dem sie durch die Welt hüpfen und sich vor der Sonne schützen konnten. Wer Umberto Ecos „Baudolino“ gelesen hat, wird sich möglicherweise noch an Gavagai erinnern:
„Hände und Arme waren es ohne Zweifel, die das Wesen da hatte, das ihnen nun entgegenkam. Ansonsten aber hatte es nur ein einziges Bein. Nicht daß es verstümmelt gewesen wäre, denn dieses Bein verlängerte seinen Leib auf ganz natürliche Weise, als wäre nie Platz für ein zweites gewesen, und mit dem einzigen Fuß dieses einzigen Beins lief das Wesen ganz zwanglos [...]. Dann machte er das, was man allen guten Traditionen zufolge von einem Skiapoden erwartet: Er legte sich lang auf den Rücken, hob das Bein so, daß der große Fuß seinem Kopf Schatten spendete, verschränkte die Arme unter dem Kopf und lächelte glücklich, als läge er unter einem Sonnenschirm.“ (Baudolino, S. 416f)
Mit dem Zeitalter der Entdeckungen verschwanden auch die Wundervölker, denn nun bereiste man die zuvor unbekannten Länder und konnte die beschriebenen Völker (logischerweise) nicht finden. In der Schedel’schen Weltchronik bleiben sie jedoch lebendig und dienen Autoren immer wieder als beliebte Vorlage für Monster oder andersartige Wesen.

Eure
Claudia Kleimann-Balke


Rick Yancey
Der Monstrumologe
Bastei Lübbe (2010)
426 Seiten
14,99 Euro

Donnerstag, 12. April 2012

"Herr Merse bricht auf" - Aber wohin?

Und wieder eine Rezension aus der Feder meiner Lieblingsgastautorin Claudia zu einem Buch, das ich mit Sicherheit auch nicht selbst gelesen hätte. Aber Rezensionen bestehen ja auch nicht immer nur aus Lobhudeleien und nicht alles, das gelesen wird, gefällt. Sonst würden wir ja auch nur immer wieder die Bestenlisten hier wiederkäuen...

Ich hätte mich von meinem ersten Gefühl leiten lassen und „Herrn Merse“ gleich wieder aus der Hand legen sollen, als mich meine ehemalige Buchhandelskollegin darum bat, ‚ihn‘ zu lesen, um seine Geschichte als Buchtipp für eine kleine, regionale Zeitschrift zu empfehlen. Diese Tipps schreibe ich seit einiger Zeit und greife dabei gern auf Bücher zurück, die nicht bereits in jedem zweiten Frauenmagazin besprochen worden sind. Die Handlung von Karin Nohrs Roman "Herr Merse bricht auf" spielt auf Sylt – also in der Region – und würde sich demnach gut für den Buchtipp eignen. Außerdem, sei es kein Mainstreambuch, versicherte meine Kollegin, sondern etwas Besonderes. Diese Information hatte sie von einem geschätzten Kollegen – ebenfalls Buchhändler – bekommen, also eine durchaus vertrauenswürdige und geschätzte Quelle! Ich wurde hellhörig und sagte direkt zu, es gerne zu lesen und zu prüfen, ob ich den Band später für meinen Buchtipp würde nutzen können. Sie gab ihn mir in die Hand und ich stutzte bereits beim Anblick des Einbandes. Kennen Sie das? Es war mir sofort, ja am besten trifft es wohl ‚unsympathisch‘. Gibt es das? Kann ein Buch unsympathisch sein? Ich versichere Ihnen, es kann.

Da aber jeder eine Chance verdient hat – auch wenn derjenige nicht in das übliche Schema passt...man hat ja so seine Vorlieben, natürlich oder auch gerade bei Büchern – habe ich mich darauf eingelassen: Herr Merse, der ‚Held‘ der Geschichte, ist Hornist und nach drei Jahren Singledasein noch immer nicht über seine Scheidung hinweg. Um zu sich selbst zu kommen, Horn zu üben und endlich seine trennungsbedingte Tablettenabhängigkeit anzugehen, reist er nach Sylt in die Ferienwohnung seiner immer (im Geiste) präsenten und extrem dominanten Schwester. Zuerst hat der Leser definitiv Mitleid mit dem armen Herrn Merse. Seine Situation wird sehr detailliert geschildert, ebenso sein Tagesablauf, der sich erst einmal aus morgens joggen, Brötchen holen, zum Strand gehen und überlegen wie viele Antidepressiva zu nehmen sind, beschränkt:
„Am Abend hätte er nach seinem Plan ein letztes Mal eine und zwei Drittel Tabletten einnehmen können, aber er verringerte die Dosis auf eineinhalb.“ (S. 63) Mutiger Herr Merse!
Alles was er tut, sieht oder denkt wird von fremdgesteuerten Gedankengängen überfrachtet. Was hätte in dieser Situation seine Frau oder seine Schwester gesagt oder getan? Der Leser erfährt es durch immer wiederkehrende (dumme) Bemerkungen der beiden Damen, die allmählich nerven. Dennoch hat Herr Merse noch immer meinen Mitleidsbonus. Doch nun entwickelt sich eine zarte Beziehung zu einer natürlich wunderschönen Frau mit zwei Kindern bei der er sich ziemlich ungeschickt anstellt – beinahe pubertär möchte ich meinen. Er träumt von einer gemeinsamen Zukunft mit allem, was dazu gehört und malt sich alle möglichen Dinge aus. Platonisch bleibt es auch, wenn er sich z.B. fragt, was seine am Strand momentan abwesende Angebetete treibt:
„Sich mit ihrem Mann treffen wahrscheinlich. Wo war der überhaupt? Der vergessene Mann. Vielleicht kam der später, eben heute, erst an. Ja, und sie holt ihn aus Westerland ab. (...). Sie wurde bestimmt von allen Seiten angebaggert. So eine wir sie: ja. Gerade weil sie es nicht herausforderte. Weil sie einfach mit ihrem Liebreiz frei in der Welt stand.“ (S. 89) 
Im Prinzip ist diese Schüchternheit und Träumerei natürlich kein Problem, aber man hat die ganze Zeit das starke Bedürfnis Herrn Merse in sein Glück zu schupsen. Hilfe sucht er in Gesprächen mit seinem Freund Johannes...der sich im Laufe der Zeit als Johannes Brahms entpuppt, was immer mehr an der geistigen Gesundheit unseres Herrn Merse zweifeln lässt. Er steht sich selbst im Weg, ist schusselig, schüchtern, bemitleidenswert – aber will man das als Leser ganze 287 lang miterleben? Mir wurde der Sermon vom verlassen werden und unglücklich sein irgendwann zu bunt und ich dachte nur noch „Du Blödmann, dann tu‘ doch endlich etwas! Komm aus den Puschen!“ Denn einmal abgesehen von der nicht verkrafteten Trennung von einer Frau, die ihn genauso dominierte und drangsalierte, wie seine Schwester es in Kindertagen praktizierte (er war es somit gewöhnt), hat Herr Merse keine ernstzunehmenden Sorgen. Er hat ein Dach über dem Kopf, einen Job, ist gesund – was also ist sein Problem? Es hat sich mir nicht erschlossen. Psychologisch betrachtet...nein, soweit will ich mich aus dem Fenster lehnen. Karin Nohr ist Fachfrau (sie hat Psychologie und Literaturwissenschaft studiert) und kann die Probleme, die derartige Minderwertigkeitskomplexe und Depressionen, die unseren Herr Merse plagen, hervorrufen sicher viel besser verstehen und nachempfinden als ich. Und ich möchte mich auch keinesfalls über Probleme lustig machen oder sie kleinreden – aber...mich hat es nicht gefesselt. Ich fand Herrn Merse irgendwann nur noch bemitleidenswert, langweilig und enervierend. Er ist ein (sorry) blasser Waschlappen ohne Rückgrat.

Die von mir erhofften Beschreibungen der Insel Sylt sind ziemlich ganz knapp gehalten. Eigentlich schade, besonders im Hinblick auf die angedachte Buchtippgeschichte in der regionalen Zeitschrift...die es übrigens nicht geben wird. Auch sprachlich hat mich das Buch nicht gefesselt. Ich mag gut formulierte, lange Sätze – die fehlten mir. Wer aber auf Waschlappen und Probleme wälzen steht, dem sein Herr Merse ans Herz gelegt. Sympathie und Antipathie sind ja Gott sei Dank subjektiv. Für mich ist das nichts!

Eure
Claudia Kleimann-Balke


Karin Nohr
Herr Merse bricht auf
Albrecht Knaus Verlag
288 Seiten
19,99 €

Samstag, 4. Februar 2012

Völlig aus der Art geschlagen - Jutta Profijt 'Kühlfach-Krimis'

Die werten Leser wissen es ja schon, Kriminalromane zählen im Biblionomicon eher zu den 'Randerscheinungen'. Um so mehr freue ich mich, dass Claudia in Ihrer zweiten Gastrezension diesem von mir leichtfertig vernachlässigtem Genre ein wenig Gerechtigkeit widerfahren lässt und den Faden gleich mit einer ganzen Krimireihe aufgreift, von der ich zugegebenermaßen noch nie etwas gehört hatte. Viel Spaß also mit Claudias Kühlfach-Krimis :)

Der Titelheld der neuen „Kühlfach-Krimireihe“ schlägt - formuliere ich es vorsichtig - ein wenig aus der Art. Dennoch versteht er es wohl sein Publikum an sich zu binden. Sei es weil uns sein Schicksal rührt, oder weil er ein so herrlich erfrischendes und schnodderiges Mundwerk sein Eigen nennt. Weshalb auch immer -- "Pascha" muss man einfach ins Herz schließen. Doch ich sollte am Anfang beginnen. Unser Held, ein kleinkrimineller Autoschieber (korrekt muss es heißen ein ziemlich toter kleinkrimineller Autoschieber) findet sich bei seiner eigenen Autopsie auf dem Seziertisch von Dr. Martin Gänsewein wieder. Verständlicherweise in heller Aufregung und wild gestikulierend, versucht er sich bemerkbar zu machen, was ihm Mangels körperlicher Fähigkeit, misslingt. Lediglich sein 'behandelnder' Rechtsmediziner ist in der Lage Paschas Gedanken zu hören. Doch ihre erste Begegnung steht, in Anbetracht der eher heiklen Situation, unter keinem so guten Stern:
„Meine anfängliche Verwirrung steigerte sich zu einer ausgewachsenen Panik, als ich sah, was Martin in der Hand hielt: Ein blitzendes, verflucht scharf aussehendes Skalpell. Er setzte es an und schlitze mir den gesamten Oberkörper auf, vom Kinn abwärts in einem geraden Schnitt bis dahin, wo es wirklich nicht mehr weitergeht. (...). Mir war schlecht. Lage um Lage wurde meine Haut abgeschält (...), bis zu dem Punkt, wo es anfing, wirklich eklig zu werden. Martin fasste mir an die Eier. ‚Hey, nimm deine Wichsgriffel von meinem Sack‘, brüllte ich in höchster Not, und Martin fuhr herum, wobei er so stark zusammenzuckte, dass ich dachte, er schlitzt gleich seinen Kollegen auf. Das war der Moment, in dem ich feststellte, dass er mich hören kann.“ (S. 23) 
Dieses für Dr. Gänsewein zweifelhafte Vergnügen führt zu herrlichen Dialogen und peinlichen Ausbrüchen des enervierten Mediziners. Pascha und Martin - man kommt sich schließlich näher - sprechen nun einmal nicht dieselbe Sprache. Doch nach zahlreichen Verständigungsproblemen kämpfen beide doch um ein gemeinsames Ziel, nämlich die Aufklärung der Umstände, die zu Paschas Tod führten. War es am Ende doch Mord? Wer schwarzen Humor mag, der wird das neue Ermittlerduo lieben! Inzwischen sind bei dtv vier Romane der „Kühlfach-Reihe“ erschienen (siehe unten).

Fazit: Natürlich darf man nicht mit gehobener Literatur rechnen, wenn man einen Kühlfach-Roman aufschlägt. Aber man kann mit guter, solider Unterhaltung rechnen. Jutta Profijt ist es gelungen einen völlig neuen Ermittlertypus zu erschaffen, der zumindest für meinen Geschmack, genial komisch ist.

Jutta Profijt
Kühlfach 4
Deutscher Taschenbuch Verlag (2009)
256 Seiten
9,95 Euro








Jutta Projijt
Im Kühlfach nebenan
Deutscher Taschenbuch Verlag (2009)
288 Seiten
9,95 Euro







Jutta Profijt
Kühlfach zu vermieten
Deutscher Taschenbuch Verlag (2010)
304 Seiten
9,95 Euro








Jutta Profijt
Kühlfach betreten verboten
Deutscher Taschenbuch Verlag (2012)
320 Seiten
9,95 Euro

Samstag, 21. Januar 2012

Verwegene Frauen - Liv Winterberg 'Vom anderen Ende der Welt'

Ich freue mich ganz besonders, heute meinen Lesern -- und das ist eine Premiere -- den ersten von hoffentlich noch vielen weiteren Gastbeiträgen präsentieren zu dürfen. Das Biblionomicon war ja nun lange genug meine 'Privatveranstaltung' und nach mehr als 5 Jahren und fast 150 Beiträgen ist es an der Zeit, auch einmal andere Stimmen Gleichgesinnter und Seelenverwandter zu Wort kommen zu lassen. Den Anfang macht heute Claudia, die ich im letzten Beitrag ja schon einmal erwähnt hatte, mit Liv Winterbergs historischen Roman 'Vom anderen Ende der Welt'. Als frisch promovierte Historikerin ('Religion und religiöse Memoria in den Statuten reichsstädtischer Zünfte vom Spätmittelalter bis zum 17. Jahrhundert. Eine Exemplarische Untersuchung der Städte Dortmund, Essen, Lübeck, Oppenheim und Augsburg') ist Claudia natürlich prädestiniert, hier in der Abteilung historische Romane für neuen Wind zu sorgen und da sie auch lange Zeit im Buchhandel gearbeitet hat, saß sie ja gewissermaßen immer schon 'an der Quelle'. Also denn...

Als junge Frau hatte Mary Linley im England des ausgehenden 18. Jahrhunderts nur eine Bestimmung: heiraten und Kinder gebären. Als ihr Vater stirbt scheint dieses Dogma in erschreckende Nähe zu rücken, doch Mary hat andere Pläne. Sie muss den geltenden gesellschaftlichen Konventionen entfliehen, um als Wissenschaftlerin zu arbeiten -- schließlich war sie von ihrem Vater als Botanikerin ausgebildet worden. Um der unausweichlichen Heirat zu entgehen, gibt sie sich als Mann aus und heuert als Zeichner auf einem Expeditionsschiff an. Auf der langen Reise nach Tahiti lernt sie schnell, wie unerbittlich und hart sich das tägliche Leben an Bord erweist und wie schwer es ist, den Schein ihrer männlichen Identität zu wahren. Auch der Leser erfährt dabei überaus Wissenswertes über das Leben auf hoher See und die Botanik der damaligen Zeit. Natürlich darf auch die Liebe in dieser Geschichte nicht fehlen, die sich zwischen Mary und Sir Carl Belham, dem Leiter der Expedition, entspinnt.

Und auch wenn sich zwischenzeitlich das Gefühl einstellt, etwas weniger Klischee hätte dem Roman gut getan, so ist er doch lesenswert, vernünftig recherchiert und unterhaltsam -- gut geeignet für einen verregneten Sonntagnachmittag auf dem Sofa. Versöhnlich hat mich schließlich doch auch gestimmt, dass die Geschichte tatsächlich auf einer historischen Vorlage basiert: 1766 brach der französische Weltumsegler Louis Antoine de Bougainville zu seiner drei Jahre dauernden Reise auf und gelangte dabei 1768 nach Tahiti. Mit an Bord befand sich der Botaniker Philibert Commerçon, begleitet von seinem Assistenten Jean Baré, alias Jeanne Baret -- einer Frau. Nur in Männerkleidung war es der ausgebildeten Botanikerin überhaupt möglich wissenschaftlich zu arbeiten und an einer Forschungsreise teilzunehmen.

Commerçon und Baret forschten fünf Jahre gemeinsam auf Mauritius und Madagaskar. Nach dem Tod Commerçons überführte Baret seinem Testament entsprechend, die gesamte Sammlung nach Frankreich, ordnete über 6000 Pflanzen in die bestehende Sammlung ein und leistete auf diese Weise einen der wichtigsten Beiträge zur Botanik des 18. Jahrhunderts. Noch heute ist die Sammlung im Muséum national d’histoire naturelle in Paris zu sehen. Während zahlreiche Pflanzen den Namen Commerçons tragen, wurde Baret diese späte Ehrung erst 2012 zuteil, indem ein neu entdecktes Nachtschattengewächs nun den Namen Solanum baretiae trägt.

Ich stelle mir, nachdem es zwischen Roman und Realität so viele Parallelen gibt, die Frage, warum Liv Winterberg sich nicht einfach vollständig an der historischen Person orientierte hat. Eine Biographie in Romanform mit ein wenig mehr Fakten zur historischen Jeanne Baret hätte ich sicher noch lieber gelesen.

Liv Winterberg
Vom anderen Ende der Welt
Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv Premium)
448 Seiten
14,80 Euro








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