Dienstag, 31. Dezember 2013

Tom Reiss 'Der Schwarze General: Das Leben des wahren Grafen von Monte Christo'

Gestoßen bin ich auf das Buch über eine Rezension im Focus, die mich zugegebenermaßen neugierig machte. Wäre mir aber nicht auch noch der Zufall in Gestalt unserer Nachbarin zu Hilfe gekommen, hätte ich das Buch aller Wahrscheinlichkeit nach nie in die Hände bekommen. Da ich mich nun einmal gerne mit meinen Zeitgenossen über unsere aktuelle Lektüre auszutauschen pflege, kamen wir auf Tom Reiss Biografie über den berühmten Vater von Alexandre Dumas zu sprechen, der sich unsere liebe Nachbarin gerade widmete. Auf meine Frage hin, ob denn das Buch die in der Focus Rezension gemachten Versprechen auch halten könne, hatte sie so ihre Zweifel. Aber, sagte sie, ich solle es am besten selbst herausfinden, als sie mir das Buch vor einigen Wochen zu eben diesem Zweck liebenswürdigerweise vorbeibrachte.

Der amerikanische Journalist Tom Reiss schreibt in seinem Buch "Der schwarze General: Das Leben des wahren Grafen von Monte Christo" die Lebensgeschichte des heute nahezu vergessenen Vaters des berühmten französischen Romanautors Alexandre Dumas. Selbst wenn man schon einmal von den 'Drei Dumas' gehört haben sollte, so ist der erste von Ihnen, der General der französischen republikanischen Armee Thomas-Alexandre Dumas (1762-1806), der wohl heute am wenigsten bekannte. Ganz im Gegensatz zu seinem Sohn, Alexandre Dumas (der Ältere), der mit seinen Musketieren oder dem Grafen von Monte Christo wichtige Beiträge zur Literaturgeschichte geleistet hat, sowie dessen Sohn Alexandre Dumas (der Jüngere), dessen Kameliendame durch Verdis Oper 'La Traviata' unsterblich geworden ist. Neu war auch für mich die naheliegende These, das Alexandre Dumas (der Ältere) Versatzstücke aus der bewegten Biografie seines Vaters zur Grundlage seiner Abenteuerromane gemacht haben soll. Da mich auch die Schilderung der Epoche rund um die französische Revolution und der nachfolgende kometenhafte Aufstieg Napoleons insbesondere aus der Perspektive eines hochrangigen, aus den französischen Kolonien stammenden, dunkelhäutigen Offiziers neugierig machten, versprach ich mir recht viel von diesem Buch.

Thomas-Alexandre Dumas (1762-1806)
Tom Reiss recherchierte also das Leben des Generals Alex Dumas, der als Sohn des Marquis Alexandre Antoine Davy de la Pailleterie und der schwarzen Sklavin Marie Cessette Dumas auf Saint-Domingues, dem heutigen Haiti, zur Welt kam. Als Quellen dienten ihm dabei nicht nur die Autobiografie Alexandre Dumas (des Älteren), der bei der Beschreibung der Lebensgeschichte seines heldenhaften Vaters naturgemäß zur Beschönigung und Übersteigerung neigt, sondern zahlreiche zeitgenössische Quellen und offizielle Dokumente, die im Anhang des Buches in einer umfangreichen Bibliografie zusammengetragen wurden. Gekonnt verflicht Tom Reiss die Geschichte seiner eigenen Recherche mit der Lebensgeschichte des Generals, die in Saint-Domingues beginnt, jener französischen Kolonie in der Karibik, des ersten und einzigen Landes, dem es gelang sich selbst von der Sklaverei zu befreien und seine Unabhängigkeit zu erklären. Alex Dumas Vater, der Marquis de la Pailleterie, war ein Abenteurer, der auf der Flucht vor seinen Schulden auf der französischen Zuckerinsel untergetaucht war. Noch vor den Unruhen der französischen Revolution kehrte er zusammen mit seinem Sohn Alex in sein Heimatland nach Frankreich zurück, wobei er seinen Sohn zunächst zum Zweck der finanziellen Sicherung der Überfahrt als Sklaven 'verpfändet' hatte.

Allerdings lies er seinem Sohn später in Frankreich doch eine ausgezeichnete Erziehung und militärische Ausbildung zukommen. Es kommt jedoch zum Zerwürfnis zwischen dem jungen Grafen und seinem Vater, dem Marquis, weshalb Thomas-Alexandre sich seines Titels entledigt und fortan unter dem Namen seiner Mutter als 'Alex Dumas' firmiert. Er tritt als Dragoner in die unteren Ränge der Militärlaufbahn ein und die sich anbahnende französische Revolution unter ihrer Devise 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' macht das unmöglich geglaubte wahr: ein Dunkelhäutiger steigt zum General und gar zum Divisionsgeneral der französischen Armee auf. Gleichzeitig wird die Sklaverei abgeschafft und es ist nur noch das Talent, das zählt, um in der kurzen Zeit der Revolutionswirren in führende Positionen aufzusteigen, ungeachtet der Hautfarbe. Und Alex Dumas zeigt ein gar unglaubliches Talent in allen militärischen Belangen. Mit seiner für die damalige Zeit beeindruckenden Körpergröße von 1,85m, seiner Gewandtheit und Geschicklichkeit, sowie seines strategischen Talents und seiner Tapferkeit, erkämpft er sich die Hochachtung seiner Zeitgenossen. Nur mit Napoleon, dem knapp zwei Köpfe kleineren Korsen mit dem unstillbaren Ego-Komplex, mit dem soll er nicht klar kommen. Ihn macht er sich zum unbarmherzigen Feind und fällt in Ungnade. Napoleon erklärt die französische Revolution offiziell für beendet und beschneidet erneut die unter der Revolution erlangten Rechte der Farbigen in den eigenen Reihen.

Insgesamt liest sich das Buch sehr spannend und unterhaltsam. Atemlos nimmt der Leser teil an den Abenteuern General Dumas, während Tom Reiss das Augenmerk stets auch auf das Werk des Sohnes lenkt und Parallelen zu den Drei Musketieren und zum Graf von Monte Christo herzustellen versteht. Aber auch ohne diese Parallelen, die manchmal ein wenig an den Haaren herbeigezogen scheinen, wäre die Lebensgeschichte dieses außergewöhnlichen Mannes über alle Maßen lesenswert. Nicht umsonst errang Tom Reiss 2013 den begehrten Pulitzer Preis.

Fazit: Ein Sahnestückchen für alle Geschichtsbegeisterten, denen die Welt von Alexandre Dumas (dem Älteren) vertraut ist, und nicht nur für diese: Lesen!

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Donnerstag, 19. Dezember 2013

Marley war tot...

Marley war tot, damit wollen wir anfangen...

Mit diesen Worten beginnt die wohl bekannteste Weihnachtsgeschichte weltweit, Charles Dickens' am 19. Dezember 1843 veröffentlichte Weihnachtsgeschichte 'A Christmas Carol'. Wir alle kennen die Geschichte vom geizigen Ebenezer Scrooge, der des Nachts von drei Geistern besucht wird, die ihm die Sinnlosigkeit seines bisherigen, vom Geiz diktierten Lebens vor Augen führen und ihn schlussendlich zur Selbsterkenntnis führen, die ihn zu einem besseren Menschen machen wird. Zahlreiche Verfilmungen und Adaptionen flimmern alljährlich zu Weihnachten über unsere Bildschirme. Auch wenn Ihr die Geschichte schon in- und auswendig kennen sollte, die Lektüre der originalen Vorlage dieser Adaptionen gerade auch jetzt in der Weihnachtszeit kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen. Charles Dickens wundervoller, stets von einem Augenzwinkern begleiteter, trockener Humor und Sprachwitz machen die Geschichte immer wieder zu einem Lese- oder gar Vorleseerlebnis. Zum eingewöhnen, hier gleich der Rest des ersten Absatzes...
Marley war tot, damit wollen wir anfangen. Kein Zweifel kann darüber bestehen. Der Schein über seine Beerdigung ward unterschrieben von dem Geistlichen, dem Küster, dem Leichenbestatter und den vornehmsten Leidtragenden. Scrooge unterschrieb ihn, und Scrooges Name wurde auf der Börse respektiert, wo er ihn nur hinschrieb. Der alte Marley war so tot wie ein Türnagel....

Sonntag, 15. Dezember 2013

Thomas Pynchon: Mason & Dixon

Zugegeben, ich habe diesen voluminösen Band aus der Zeit Edition "Erzählte Wissenschaft" schon im Sommer gelesen, komme aber erst jetzt dazu, darüber zu schreiben. Üblicherweise bin ich einer von denjenigen Lesern, die jedes angefangene Buch auch zu Ende bringen - auch wenn ich mich dabei manchmal "quälen" muss. Dieses Buch aber ist eines der wenigen in den vergangenen Jahren, dass ich trotz aller guter Vorsätze nach gut 600 Seiten mit wachsender Frustration beiseite gelegt habe, so dass es mir jetzt im Regal als "Schandfleck der nicht zu Ende gelesenen Bücher" entgegenstarrt. Stets keimt ein leichtes Grollen verbunden mit einem Stich des schlechten Gewissens in mir auf, wenn ich am Bücherregal vorbeigehe. Dass ich jetzt endlich auch eine Rezension dazu schreibe liegt auch daran, dass ich lange über das Gelesene nachgedacht habe, wobei ich das Buch ursprünglich eigentlich 'unter den Tisch' fallen lassen wollte, was die Rezension hier im Biblionomicon angeht. Aber genug der Vorrede. Worum geht es und warum hat es mir nicht gefallen?

Es handelt sich um einen historischen Roman, in dem Thomas Pynchon die Geschichte des obskuren Gelehrten-Duos des englischen Astronomen Charles Mason und des Landvermessers Jeremiah Dixon erzählt, die jedem Highschool-Kid in den USA ein Begriff sind, da die beiden die Grenze zwischen Nord und Süd, zwischen freiem Norden und dem sklavenhaltenden Süden der USA zogen, die nach ihnen benannte Mason-Dixon-Linie. Thomas Pynchons Buch kommt überaus gelehrt und fundiert recherchiert, wenngleich abstrus verfremdet daher. Da ist der verwitwete und bierernste Assistenz-Astronom des Royal Greenwich Observatoriums Charles Mason und auf der anderen Seite der leutseelige, aber irgendwie verrückte Landvermesser Jeremiah Dixon. Zusammen bilden sie das klassische Duo irgendwo zwischen "Holmes und Watson" und "Laurel und Hardy", mit verstärkter Tendenz zum (Tragi-)Komischen.

Nachdem beide zusammen im Dienste der Royal Society of Astronomers den Venustransit in Cape Town, Südafrika beobachten, erhalten Sie den Auftrag nach Amerika zu reisen, um den Streit um die Grenzlinie zwischen den Territorien Pennsylvania und Maryland durch Neuvermessung zu schlichten. Das Ganze spielt in einer Zeit noch vor der amerikanischen Revolution und den amerikanischen Unabhängigkeitskriegen. Ausgerüstet mit einem vielköpfigen Tross von Lieferanten, Handwerkern und Holzfällern machen sie sich auf den Weg, um in fünf Jahren eine kerzengerade schwarze Linie auf der Landkarte abzuschreiten, die Pennsylvania von Maryland und West Virginia im Süden und senkrecht dazu von Delaware trennt. Entlang des Weges treffen sie auf allerlei seltsame Gestalten. Die Liste reicht von Indianern (logisch) über Koffein-Junkies, jesuitische Kabbalisten, bis hin zu tatsächlich historischen Gestalten wie George Washington und Benjamin Franklin. Erzählt wird die seltsame Geschichte ganz im Stil des 18. Jahrhunderts, aus dem Mund des Reverends Wicks Cherrycoke, ganze 20 Jahre später, der das Ganze im Zuge eines Besuchs in der guten Stube seiner Schwester in Philadelphia seinen Nichten und Neffen erzählt, die zwischendurch alles und jedes kommentieren.

So weit so gut. Das Problem, das ich mit der Geschichte hatte, lag eindeutig am Erzählstil und der Sprache des Übersetzers. Ich bin ja nicht ganz unerfahren in der Lektüre "älterer Literatur". Selbst ein nicht neuübersetzter Grimmelshausen aus dem 17. Jahrhundert schreckt mich nicht ab, aber mit dem vom Übersetzer adaptierten Stil Thomas Pynchons kam ich nicht wirklich gut zurecht. Alles wirkt irgendwie über alle Maßen künstlich, geschraubt und ohne Notwendigkeit verkompliziert. In Kombination mit den schrägen Abenteuern des Komikerduos Mason und Dixon wirkt die Sprache noch seltsamer. Vielleicht war das ja als Verfremdungseffekt beabsichtigt, aber ein Blick in das englischsprachige Original lässt diesen Eindruck nicht aufkommen. Wie man in der Wikipedia nachschlagen kann, stammt die deutsche Übersetzung von Nikolaus Stingl, die 2007 sogar mit dem Paul-Celan-Preis gewürdigt wurde. Auf die Dauer gerieten mir auch die endlos langen Dialoge der beiden Protagonisten zu einer Zumutung. Sind schon Thomas Manns Endlosplaudereien auf den Zauberberg-Spaziergängen nicht jedermanns Sache, so wird es hier tatsächlich noch schlimmer. Mag sein, dass ich das Buch eines Tages einmal wieder in die Hand nehme und meine - dann reifere - Meinung ändere, aber aktuell kann ich niemanden guten Gewissens zu diesem Selbstversuch raten.

Fazit: Historischer Roman über ein gelehrtes Komikerduo, das in endlosen abstrusen Gesprächen die historische Wahrheit verfremdet und den Leser öfters vor den Kopf stößt. Lesen auf eigene Gefahr. Sagt hinterher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt...