Montag, 31. Dezember 2007

Englische Kurzgeschichten - von Scott bis Stevenson

Heute möchte ich mal eine Lanze brechen für eine Buchreihe, die mir in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen ist. Die wunderbaren Bändchen der Sammlung Dieterich aus der Dieterichschen Verlagsbuchhandlung in LEIPZIG. Die Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung ist Trägerin eines der ältesten Verlagsnamens Deutschlands. Sie wurde 1765 von Johann Christian Dieterich in Göttingen gegründet und konnte mit Johann Christoph Lichtenberg einen der bedeutendsten und bekanntesten Autoren seiner Zeit verpflichten.1937 begann Wilhelm Klemm, der das Verlagshaus 1927 erwarb, in Zusammenarbeit mit dem Philologen Rudolf Marx die Herausgabe der "Sammlung Dieterich", die nach dem 2. Weltkrieg in geteilter Form in Leipzig und Wiesbaden/Bremen weiter erschien.1982 erfolgte dann die Wiederbegründung der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung in Mainz.

Die englischen Kurzgeschichten (Band 56 der Sammlung Dieterich, die "schönen Taschenbände der Weltliteratur"), stammen aus der Leipziger Zeit, erschienen 1948. Die Bände haben ein ausgesprochen handliches Format (knapp größer als die bekannten Manesse-Bändchen), gebunden in Leinen mit Goldprägung und Lesebändchen, also wirklich sehr schön! Heute kann man die Bände in jedem ordentlichen Antiquariat finden, so auch z.B. bei den online-Antiquariaten ZVAB, booklooker oder aber auch besonders günstig bei ebay.

Bleiben wir aber bei den englischen Kurzgeschichten. Generell lese ich Kurzgeschichten, Short Stories, Novellen und andere epische Kurzformen ganz gerne. Die Kürze der Darstellungsform zwingt den Autor dazu, den Leser mit möglichst wenigen Worten mitten in das zu berichtende Geschehen hineinzuversetzen (Hemingway ist der absolute Großmeister der "wenigen Worte"...). Leider ist diese Gabe nicht jedem Autor gegeben, daher sind die wirklich guten Kurzgeschichten auch dünn gesäht. Der vorliegende Band mit 22 Kurzgeschichten chronologisch geordnet von Sir Walter Scott bis Robert Louis Stevenson bietet einen reichen Querschnitt der englischen Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts, darunter auch in Deutschland weniger bekannte Autoren, wie z.B. Thomas Crofton Crocker, Thomas Hood, Charles James Lever oder Richard Harris Barham. Allen voran aber Charles Dickens, der Meister der Schilderung mit der "Geschichte eines Handlungsreisenden", William Makepeace Thackeray, Antony Trollope, William Wilkie Collins oder aber auch Oscar Wilde. Viele der Geschichten machen vor allem Appetit auf mehr (insbesondere werde ich mir in nächster Zeit mal Wilkie Collins mit seiner "Frau in Weiß" und dem "Monddiamanten" vornehmen). Abgerundet wird das Ganze mit einem kleinen Anhang mit Anmerkungen und Erklärungen zu den einzelnen Geschichten. Neben den englischen Kurzgeschichten gibt es natürlich auch noch Bände mit französischen, amerikanischen und deutschen Kurzgeschichten, auf die ich bei Gelegenheit noch einmal zurückkommen werde.


Links:

  • Englische Kurzgeschichten - von Scott bis Stevenson, Sammlung Dieterich Band 56, Dieterichsche Verlagsbuchhandlung bei booklooker

  • Meine Bücher bei booklooker

Sonntag, 30. Dezember 2007

Barocker Bildungsthriller, die Zweite...

Die Zeit "zwischen den Jahren" verläuft glücklicherweise meist ziemlich ruhig. Die letzten Spuren des weihnachtlichen Familienchaos sind beseitigt und man macht sich so seine Gedanken über das zurückliegende Jahr. Meine Güte, es ist schon über einen Monat her, dass ich das letzte mal hier einen Beitrag verfasst habe...und ich bin dazu schon wieder drei Bücher im "Rückstand"...

Das letzte große Werk, dass ich noch vor Weihnachten beendet hatte, war Monaldis & Sortis "Secretum.", der zweite Band um das ereignisreiche Leben und die Abenteuer des Atto Melani, Kastrat und Geheimagent im Dienste des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Große Erwartungen waren bereits durch die Lektüre des ersten Bandes "Imprimatur." geweckt, und wie so oft hat es ein Folgewerk schwer, diese hochgesteckten Ziele zu erfüllen. Aber dem will ich erst einmal nicht vorweg greifen.

Wir schreiben das Jahr 1700. Rom feiert (ein weiteres) heiliges Jahr, abertausende von Pilgern aus ganz Europa strömen in die heilige Stadt. Kardinal Spada, Staatssekretär des Kirchenstaates, richtet in seiner prachtvollen Villa die Hochzeit seines Neffen aus und unter den illustren Gästen finden wir auch den gealterten Atto Melani. Die schwere Krankheit des Papstes und das aus diesem Grunde bevorstehende Konklave machen dieses gesellschaftliche Ereignis zu einem politischen Event erster Güte, und Atto Melani versucht geschickt im Sinne seines Auftraggebers, des französischen Königs, die Fäden zu ziehen. Ebenfalls der namenlose kleinwüchsige Erzähler aus dem ersten Band findet sich als Gärtnergehilfe und Vogelmeister (der sich um die prächtigen Volieren des Kardinals kümmert) inmitten des Geschehens wieder. Melani heuert ihn als Gehilfen an, lässt ihn aber wie stets über seine wahren Absichten im Dunkeln. Neben der bevorstehenden Papstwahl geht es zudem auch noch um die spanische Erbfolge. Der spanische König liegt kinderlos auf dem Sterbebett und sowohl Kaiser Leopold (des heiligen römischen Reiches deutscher Nation) und der Sonnenkönig erheben Anspruch auf den spanischen Thron. Wir geraten erneut in eine wilde Verschwörung, bei der seltsame -- aber wohlorganisierte -- Bettlersekten, korrupte Polizisten, ein sprechender Papagei und eine Spukvilla den Rahmen für eine mitunter turbulente Handlung bieten.

Erneut ist die Handlung in den fiktiven Rahmen einer Korrespondenz zwischen dem (ehemaligen) Bischof Lorenzo dell'Agio, jetzt strafversetzt nach Rumänien (-> Anspielung auf Ovid) und dem Sekretär der Kongregation für die Heiligsprechung eingebettet (man verdächtigte den Bischof von Como, er hätte das Manuskript zu "Imprimatur" heimlich und ohne Zustimmung der Kirche veröffentlicht) und wieder geht es um ein Manuskript, das dem Bischof von seinen untergetauchten "Autorenfreunden" zugesandt wurde. Einheit des Ortes und Einheit der Zeit scheinen dem Autorenduo Monaldi und Sorti am Herzen zu liegen, beschränkt sich die Handlung erneut auf gerade einmal 10 Tage und der Ort des Geschehens ist größtenteils das Anwesen der Villa Spada und diesmal das "oberirdische" Rom. Die Protagonisten sind ebenfalls größtenteils bereits aus dem ersten Band bekannt, auch wenn dessen Handlung bereits 17 Jahre zurück liegt. Ebenfalls wird der Band mit HInweisen zu Originaldokumenten abgeschlossen, die die Authentizität der behandelten Fakten belegen sollen und zudem sehr interessant sind.

Eines muss man den Autoren lassen. Wenn sie etwas schreiben, dann schreiben sie es gründlich -- wie der geneigte Leser auf den mehr als 1000 Seiten des Romans erfahren mag. Durchaus kommt es diesmal auch zu einigen Längen. Natürlich sind die historisch untermauerten Schilderungen oft hochinteressant, aber einige "schräge" Details waren dann auch mir zuviel. So etwa der sprechende Papagei -- der natürlich auch nur spricht, wenn der Erzähler zugegen ist -- der der Richtung der Handlung mehrmals eine neue Ausrichtung gibt (...bei Raumschiff Enterprise waren diese "Kunstkniffe", die die Handlung an einem toten Punkt weiter bringen sollten, üblicherweise das "Beamen" oder eine "Subraumanomalie"...). Andererseits auch die seltsamen "Phantome" der Geistervilla, die als "il Nave" (das Schiff) bezeichnet wird mit ihrem seltsamen Bewohner, dem holländischen Geiger, der immer nur ein einziges Stück, eine "Folia" (Verrücktheit), spielt. So auch die Verschwörungstheorie mit den "Carretanern" (Bettler oder Ketzer....wer weiss), die für anscheinend jede Untat in der heiligen Stadt verantwortlich zeichnen. Alles eben durch und durch "barock".... Aber für mich diesmal ein wenig zuviel des guten. Bot der erste Band noch atemlose Spannung plus detaillierte Schilderungen des barocken Roms, fällt es den Autoren diesmal ziemlich schwer, die Spannung zu halten. Hinter der prallen und farbenfrohen Welt des barocken Roms bleiben leider erneut die Figuren leidlich blass. Insgesamt ist die Serie auf sieben Bücher angelegt, der dritte Band "Veritas" ist bereits erschienen. Allerdings hoffe ich, dass die Folgebände wieder etwas an Profil zulegen können. Zunächst einmal ist mein Bedarf an historischen Kriminalromanen für einige Zeit gestillt...

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