Es ist einer DER Klassiker, wenn es um das Thema "gelangweilte Ehefrau hat eine Affaire, die sie noch bereuen wird" geht. Doch während Flauberts 'Madame Bovary' keinen Ausweg aus ihrem Dilemma mehr sieht und sich selbst mit Gift das Leben nimmt, steht Fontanes Titelheldin 'Effie Briest' dem Leben weitaus positiver gegenüber. Aber auch Fontane ist noch gebunden in den Zwängen seiner Zeit und gibt dem Roman ein etwas moralinsaures Ende. Tatsächlich soll ein aus Liebe und Eifersucht heraus geführtes Pistolenduell auf der Berliner Hasenheide, in dem sich am 27. November 1886 Richter Emil Hartwich und Baron Armand Léon von Ardenne gegenüberstanden, die Vorlage zu Fontanes Roman geliefert haben nach einer Affäre Hartwichs mit Ardennes Ehefrau Elisabeth. Richter Hartwich starb am 1. Dezember an den Folgen der im Duell erlittenen Schusswunde. Man mag von Fontane halten was man will, Hauptsache, man setzt sich einmal mit ihm auseinander und bildet sich seine eigene Meinung, da er ein Fenster in dieses ferne 19. Jahrhundert öffnet, das uns heute trotz unenthaltsamer Medienberieselung so fremd geworden ist. Ein guter Freund nannte Fontane auch schon einmal den "am meisten überschätzten deutschen Autor", aber seine Effie Briest ist wirklich einer der Romane, die man kennen sollte. Alleine schon der erste Satz zeigt, dass Fontane alles andere als ein 'Action'-Schriftsteller war, sondern sich viel Zeit ließ - manchmal für meinen Geschmack auch ein wenig zu viel - um die Szenerie eingehend exakt, mitunter auch für den Fortgang der Geschichte viel zu detailliert, zu schildern...
"In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße, während nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter Seitenflügel einen breiten Schatten erst auf einen weiß und grün quadrierten Fliesengang und dann über diesen hinaus auf ein großes, in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr und an seinem Rande mit Canna indica und Rhabarberstauden besetzten Rondell warf. "
Theodor Fontane, Effie Briest, Erstausgabe 1896,
Mittwoch, 28. November 2012
Donnerstag, 22. November 2012
Der Zeit pfuscht man nicht ins Handwerk - Stephen King 'Der Anschlag'
Staunen, ja sogar Entsetzen schlug mir entgegen, als ich verkündete, was ich mir da als neuen Lesestoff auserkoren hatte. "Also das hätte ich jetzt nicht von Dir gedacht...". Zugegeben, es ist bestimmt schon mehr als 20 Jahre her, dass ich meinen letzten Stephen King, den Horror-Klassiker "Es" gelesen habe. Seither hatte sich mein Interesse an der Literatur doch etwas verlagert. Aber als ich eine nahezu als enthusiastisch zu bezeichnende Rezension in der Zeit gelesen hatte - bei der Zeit muss man ja schon zufrieden sein, wenn sie ein - zumindest für mich - halbwegs lesbares literarisches Werk nicht ausschließlich nur niedermacht - wurde ich doch neugierig. Insbesondere da es bei diesem Roman um das Thema Zeitreisen gehen sollte, war ich gespannt, wie sich der von seinen Jüngern hochverehrte Meister der Horror-Bestseller-Literatur diesem für ihn eigentlich unüblichen Thema widmen würde...
Fazit: Großes Kino, spannend geschriebene, wohlrecherchierte und gut durchdachte Geschichte. Lesen!
Man beginnt also in den ersten Seiten vor sich hinzulesen und merkt recht schnell, wie einen die Geschichte in ihren Bann zieht. Fesselnd schreiben kann er ja. Nun, ob Sie's glauben oder nicht, Jake Epping, seines Zeichens Englischlehrer in der Erwachsenenbildung, wird von seinem krebskranken Freund Al Templeton, dem Besitzer eines alten Diners, in ein unglaubliches Geheimnis eingeweiht. Die Stufen hinab in den Vorratskeller von Als Schnellrestaurant führen geradewegs in die Vergangenheit des Jahres 1958, und zwar genau zum 9. September, 11.58 Uhr. Und das tun sie anscheinend immer wieder. Egal, wie lange man sich in der Vergangenheit aufhält, in der Gegenwart vergeht immer nur ein kurzer Augenblick. Geht man die Stufen wieder hinab, landet man in der selben Zeit und stets an der selben Stelle. Aber was passiert, wenn man auf diese Vergangenheit einwirkt und diese verändert, und zwar so, dass es unweigerlich Auswirkungen auf die Gegenwart haben muss...?
Dieser Frage widmen sich zahlreiche Autoren von Zeitreisegeschichten und lösen die dadurch verursachten Paradoxa im Ursache-Wirkungsgefüge unseres Raum-Zeit-Kontinuums einmal mehr oder weniger elegant. Üblicherweise folgen die Autoren dabei einem dieser drei Schemata:
- Unveränderliche Zeitlinie: Bei dieser Variante kann sich der Zeitreisende anstrengen, wie er will, er schafft es einfach nicht, den Strom der Zeit zu verändern, da immer irgend etwas dazwischen kommt. Entweder "wehrt" sich die Zeit, oder die Taten des Zeitreisenden haben auf den Fluss der Zeit keine weiteren schwerwiegenden Auswirkungen - wie ein kleiner Zweig, der in einen Strom fällt, diesen nicht veranlasst, sein Bett zu verlassen.
- Dynamische Zeitlinie: Der Zeitreisende verändert den Lauf der Zeit und damit seine ursprüngliche eigene Gegenwart. Hier treten Paradoxa auf, wie z.B. der Versuch, seine eigenen Vorfahren zu ermorden, so dass der Zeitreisende selbst nie geboren worden wäre und auch nie die Zeitreise angetreten hätte und daher auch nie seine Vorfahren hätte umbringen können.
- Multiversum: Jeder Zeitreiseversuch des Zeitreisenden zurück in die Vergangenheit erschafft ein neues (paralleles) Universum. Dort haben die Taten des Zeitreisenden Einfluss auf den weiteren Verlauf der Zeit, allerdings wirken sie nicht in seinem ursprünglichen Universum, das parallel zum neugeschaffenen Universum besteht.
Alles hängt mit allem zusammen, das soll einem die Lektüre dieses Buches verdeutlichen. Dabei geht es nicht nur um den vielzitierten Schmetterlingseffekt, bei dem der Flügelschlag eines Schmetterlings durch eine ungeahnte Verkettung von Ursache und Wirkung auf einem anderen Kontinent einen Orkan auslösen kann. Nein, auch Stephen Kings Werk wird in diesem Buch immer wieder zitiert und aufgegriffen. Und da vieles in seinen Büchern Kings persönlicher Biografie entnommen ist, führt uns dieses Buch irgendwie auch durch die Stationen der Lebenswelt seines Autors. Aber vor allen Dingen liest es sich unterhaltsam und spannend. Aufgrund seiner Länge ist es sicher nicht als Gute-Nacht-Lektüre geeignet, die man in kurzen 20-30 Seiten Häppchen liest, sondern verlangt nach einigen Regenwetter-Urlaubstagen, an denen man sich mit einer schönen Tasse Tee in den Seiten der unglaublichen Geschichte verlieren kann. Ich hatte ja so meine Bedenken, ob sich King am Ende aus der Paradoxie-Falle seines Zeitreisekonstrukts zu retten versteht, aber er hat es tatsächlich geschafft und hat die Geschichte zu einem schlüssigen Ende geführt.
Fazit: Großes Kino, spannend geschriebene, wohlrecherchierte und gut durchdachte Geschichte. Lesen!
Weitere Zeitreiseromane im Biblionomicon:
Montag, 12. November 2012
Weit draußen in den unerforschten Einöden...
Ein weiterer Beitrag in der Rubrik "berühmte erste Sätze" führt und diesmal zurück zu einem Buch, dass ich irgendwann Anfang der 1980er Jahre zum ersten Mal gelesen habe...
"Weit draußen in den unerforschten Einöden eines total aus der Mode gekommenen Ausläufers des westlichen Spiralarms der Galaxis leuchtet unbeachtet eine kleine gelbe Sonne. Um sie kreist in einer Entfernung von etwa achtundneunzig Millionen Meilen ein absolut unbedeutender kleiner baugrüner Planet, dessen vom Affen stammenden Bioformen so erstaunlich primitiv sind, daß sie Digitaluhren noch immer für eine unwahrscheinlich tolle Erfindung halten."
Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis, Ullstein (1984)
Mehr muss man zu diesem Klassiker auch nicht sagen ;-) Ich habe das Buch bevor lange bevor es richtig populär geworden ist in der Stadtbücherei entdeckt und an einem schwülwarmen Sommerferientag am Baggersee liegend in einem Rutsch durchgelesen. Ich muss damals einen ziemlich schrägen Eindruck bei den anderen Badegästen hinterlassen haben, da dieser seltsame Junge mit seinem Buch mehrfach unvermittelt immer wieder in Lachkrämpfe verfiel...
"Weit draußen in den unerforschten Einöden eines total aus der Mode gekommenen Ausläufers des westlichen Spiralarms der Galaxis leuchtet unbeachtet eine kleine gelbe Sonne. Um sie kreist in einer Entfernung von etwa achtundneunzig Millionen Meilen ein absolut unbedeutender kleiner baugrüner Planet, dessen vom Affen stammenden Bioformen so erstaunlich primitiv sind, daß sie Digitaluhren noch immer für eine unwahrscheinlich tolle Erfindung halten."
Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis, Ullstein (1984)
Mehr muss man zu diesem Klassiker auch nicht sagen ;-) Ich habe das Buch bevor lange bevor es richtig populär geworden ist in der Stadtbücherei entdeckt und an einem schwülwarmen Sommerferientag am Baggersee liegend in einem Rutsch durchgelesen. Ich muss damals einen ziemlich schrägen Eindruck bei den anderen Badegästen hinterlassen haben, da dieser seltsame Junge mit seinem Buch mehrfach unvermittelt immer wieder in Lachkrämpfe verfiel...
Dienstag, 6. November 2012
Was für eine Kombination! - Eric Larson 'Marconis magische Maschine'
Wir können es uns heute gar nicht mehr vorstellen, aber es gab tatsächlich einmal eine Zeit - und eigentlich ist das noch gar nicht so lange her -, in der einem die Bilder eines Unglücks oder eines Verbrechens nicht unmittelbar nach dem Ereignis aus dem Fernsehen oder dem Internet entgegenflimmerten. In der es noch seine Zeit dauerte, bis die Nachricht von einem unerhörten Ereignis die Landesgrenzen oder gar den Ozean überqueren konnte. Vor knapp über 100 Jahren, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ging diese aus heutiger Sicht "entschleunigte" Epoche endgültig zu Ende, als die Entwicklung der Funktechnik auch noch die letzten bis dato bestehenden Grenzen der Kommunikation zum Einsturz brachte. Bestieg man im Jahr 1900 ein Schiff zu einer Passage über den Atlantik, blieb man - ob man es wollte oder nicht - für gut 10 Tage ohne jegliche Nachricht darüber, was in der restlichen Welt vorgegangen war. Erst als man von Bord ging, brachte man sich wieder auf den aktuellen Stand, d.h. soweit die Nachricht über die bereits bestehenden Telegraphenverbindungen gemorst oder von einem schnelleren Schiff mitgebracht worden war. Eigentlich ideale Voraussetzungen, um ein Verbrechen zu begehen, das ungesühnt bleiben soll, da man sich den Nachforschungen mit einer Reise über den Ozean entziehen konnte, um unbemerkt an Land zu gehen und zu verschwinden.
Guglielmo Marconi gilt als genialer Geschäftsmann und patenter Ingenieur, der der Funktelegrafie zum Durchbruch verhalf. Auch wenn die grundlegend dazu notwendigen Erfindungen nicht von ihm selbst gemacht wurden, so war es doch sein felsenfester Glaube als beherzter Dilettant, wohlhabender Erbe und Geschäftsmann, dass er an seinem Traum von der drahtlosen Kommunikation festhielt, allen Widrigkeiten zu Trotze. Am 12. Dezember 1901 gelang ihm nach Jahren zahlloser vergeblicher Versuche der erste transatlantische Funkempfang eines Signals (der Buchstabe S des Morsecodes) aus Poldhu auf der Halbinsel The Lizard in Cornwall auf dem Signal Hill bei St. John's in Neufundland. Gegenüber den Forschern und Wissenschaftlern an den Universitäten hatte er einen entscheidenden Vorteil: Geld.
Zeit seines Lebens aber machte ihm seine fehlende wissenschaftliche Qualifikation trotz oder vielmehr aufgrund seines bahnbrechenden Erfolges zur Zielscheibe akademischer Hochnäsigkeit. Zudem hatte er es als Italiener schwer, in England Fuß zu fassen. Auch wenn er akzentfreies Englisch sprach blieb er doch ein Ausländer. Zwar ein Ausländer mit Geld und technischem Know How, das Begehrlichkeiten weckte, aber in den Augen der versnobten Briten eben ein Ausländer. Begleitet wurde der durchbrechende Erfolg seiner Erfindung der drahtlosen Telegrafie von einem spektakulären Kriminalfall, dessen Aufklärung und Dingfestmachung des Täters nur mit Hilfe von 'Marconis magischer Maschine' ermöglicht wurde. Dieser Kriminalfall und die zähen Versuche des genialen Italieners werden von Erik Larson in paralleler Montage entwickelt und sind dabei für ein "Sachbuch" überaus spannend geraten. Der nach allen Seiten harmlos wirkende Arzt und Homöopath Hawley Harvey Crippen ist die zentrale Figur dieses ungewöhnlichen Kriminalfalls, der im Jahre 1910 großes Aufsehen in der britischen Öffentlichkeit erregte. In zweiter Ehe heiratete er die 14 Jahre jüngere Cora Turner, die von einer Karriere als Opernsängerin träumte. Obwohl Crippen ihre Karrierepläne finanzierte, scheiterte Cora mangels Talent und ergab sich dem Alkohol und zahlreichen Affairen. Crippen brachte seine Frau mit Hilfe eines Gift-Cocktails um, zu dem nur er als Arzt Zugang hatte. Anschließend zerlegte er die Leiche und vergrub sie unter den Fliesen im Keller seines Hauses, während er nach außen bekannt gab, seine Frau wäre in die USA zurückgezogen und dort leider verstorben. Als allerdings Crippens Geliebte Ethel le Neve bei ihm einzieht und mit dem Schmuck der verschwundenen Ehefrau gesehen wird, gerät Crippe schließlich ins Visier von Scotland Yard. Zwar gelingt es ihm zunächst, die Verdachtsmomente zu zerstreuen, und das Paar nutzt seine Chance zur Flucht, zunächst auf den Kontinent und schließlich nach Übersee. Doch ist den beiden nicht bewusst, dass bereits die neue Funktechnik Einzug auf ihren Transatlantikdampfer genommen hat und die Ermittlungen einen bis dato ungeahnten Lauf nehmen werden, an dem die Öffentlichkeit erstmals quasi "live" durch die damaligen Medien beteiligt wird.
Erik Larsons Sachbuch liest sich wie ein spannender Kriminalroman und auch die Bemühungen Marconis um Anerkennung zeichnen ein psychologisch differenziertes Bild dieser historischen Figur, das den Leser in seinen Bann zieht. Zwar bin ich aus beruflichem Interesse an der Mediengeschichte etwas vorbelastet, aber ich glaube, dass das Buch auch bei einem unvoreingenommenen Leser Zustimmung erfahren wird. Tatsächlich sorgte der Fall des Dr. Crippen noch Jahre nach dem Abschluss des Falles für Diskussionsstoff, insbesondere die psychologische Seite des Falls, die von Larson ausführlich dargelegt wird, so z.B. auch bei Agatha Christie, die sich ausgiebig damit beschäftigte.
Fazit: Was für eine Kombination - ein Sachbuch zur Mediengeschichte der Funktelegrafie in Kombination mit einem spektakulären Verbrechen. Muss man gelesen haben!
Erik Larson
Marconis magische Maschine - Ein Genie, ein Mörder und die Erfindung der drahtlosen Kommunikation,
Fischer Tb., Frankfurt (2009)
449 Seiten
Guglielmo Marconi gilt als genialer Geschäftsmann und patenter Ingenieur, der der Funktelegrafie zum Durchbruch verhalf. Auch wenn die grundlegend dazu notwendigen Erfindungen nicht von ihm selbst gemacht wurden, so war es doch sein felsenfester Glaube als beherzter Dilettant, wohlhabender Erbe und Geschäftsmann, dass er an seinem Traum von der drahtlosen Kommunikation festhielt, allen Widrigkeiten zu Trotze. Am 12. Dezember 1901 gelang ihm nach Jahren zahlloser vergeblicher Versuche der erste transatlantische Funkempfang eines Signals (der Buchstabe S des Morsecodes) aus Poldhu auf der Halbinsel The Lizard in Cornwall auf dem Signal Hill bei St. John's in Neufundland. Gegenüber den Forschern und Wissenschaftlern an den Universitäten hatte er einen entscheidenden Vorteil: Geld.
Zeit seines Lebens aber machte ihm seine fehlende wissenschaftliche Qualifikation trotz oder vielmehr aufgrund seines bahnbrechenden Erfolges zur Zielscheibe akademischer Hochnäsigkeit. Zudem hatte er es als Italiener schwer, in England Fuß zu fassen. Auch wenn er akzentfreies Englisch sprach blieb er doch ein Ausländer. Zwar ein Ausländer mit Geld und technischem Know How, das Begehrlichkeiten weckte, aber in den Augen der versnobten Briten eben ein Ausländer. Begleitet wurde der durchbrechende Erfolg seiner Erfindung der drahtlosen Telegrafie von einem spektakulären Kriminalfall, dessen Aufklärung und Dingfestmachung des Täters nur mit Hilfe von 'Marconis magischer Maschine' ermöglicht wurde. Dieser Kriminalfall und die zähen Versuche des genialen Italieners werden von Erik Larson in paralleler Montage entwickelt und sind dabei für ein "Sachbuch" überaus spannend geraten. Der nach allen Seiten harmlos wirkende Arzt und Homöopath Hawley Harvey Crippen ist die zentrale Figur dieses ungewöhnlichen Kriminalfalls, der im Jahre 1910 großes Aufsehen in der britischen Öffentlichkeit erregte. In zweiter Ehe heiratete er die 14 Jahre jüngere Cora Turner, die von einer Karriere als Opernsängerin träumte. Obwohl Crippen ihre Karrierepläne finanzierte, scheiterte Cora mangels Talent und ergab sich dem Alkohol und zahlreichen Affairen. Crippen brachte seine Frau mit Hilfe eines Gift-Cocktails um, zu dem nur er als Arzt Zugang hatte. Anschließend zerlegte er die Leiche und vergrub sie unter den Fliesen im Keller seines Hauses, während er nach außen bekannt gab, seine Frau wäre in die USA zurückgezogen und dort leider verstorben. Als allerdings Crippens Geliebte Ethel le Neve bei ihm einzieht und mit dem Schmuck der verschwundenen Ehefrau gesehen wird, gerät Crippe schließlich ins Visier von Scotland Yard. Zwar gelingt es ihm zunächst, die Verdachtsmomente zu zerstreuen, und das Paar nutzt seine Chance zur Flucht, zunächst auf den Kontinent und schließlich nach Übersee. Doch ist den beiden nicht bewusst, dass bereits die neue Funktechnik Einzug auf ihren Transatlantikdampfer genommen hat und die Ermittlungen einen bis dato ungeahnten Lauf nehmen werden, an dem die Öffentlichkeit erstmals quasi "live" durch die damaligen Medien beteiligt wird.
Erik Larsons Sachbuch liest sich wie ein spannender Kriminalroman und auch die Bemühungen Marconis um Anerkennung zeichnen ein psychologisch differenziertes Bild dieser historischen Figur, das den Leser in seinen Bann zieht. Zwar bin ich aus beruflichem Interesse an der Mediengeschichte etwas vorbelastet, aber ich glaube, dass das Buch auch bei einem unvoreingenommenen Leser Zustimmung erfahren wird. Tatsächlich sorgte der Fall des Dr. Crippen noch Jahre nach dem Abschluss des Falles für Diskussionsstoff, insbesondere die psychologische Seite des Falls, die von Larson ausführlich dargelegt wird, so z.B. auch bei Agatha Christie, die sich ausgiebig damit beschäftigte.
Fazit: Was für eine Kombination - ein Sachbuch zur Mediengeschichte der Funktelegrafie in Kombination mit einem spektakulären Verbrechen. Muss man gelesen haben!
Erik Larson
Marconis magische Maschine - Ein Genie, ein Mörder und die Erfindung der drahtlosen Kommunikation,
Fischer Tb., Frankfurt (2009)
449 Seiten
Freitag, 2. November 2012
Alles Gute, was geschieht, setzt das nächste in Bewegung
...zumindest laut Goethe. Inspiriert durch die beiden Damen von leselink.de habe ich mich eines jetzt wirklich schon sehr alten Blogbeitrags im Biblionomicon aus dem Jahr 2007 erinnert, in dem ich mich -- damals angeregt durch ein Literatur-Quiz in der ZEIT -- mit den berühmten "ersten Sätzen" literarischer Werke auseinandergesetzt und deren Bedeutung diskutiert habe. An sich hatte ich ja nicht vor, noch eine weitere Rubrik im Biblionomicon aufzumachen, insbesondere da sich das leselink.de bereits den "ersten Sätzen" verschrieben hat. Aber ich stoße dann doch immer einmal wieder auf erste Sätze, die mich faszinieren, die aber aus so weitläufig eher unbekannten Werken stammen, dass sie nirgendwo anders auftauchen.
Zudem finde ich, es darf nicht immer nur beim allerersten Satz bleiben. Will man mehr über das Buch oder den Autor erfahren, muss man schon etwas weiterlesen. Aber muss es bei einem Zitat bleiben, auch wenn es 2-3 Sätze ausmacht. Ich glaube, damit kann man einen besseren Eindruck vermitteln, als wenn man nur den allerersten Satz betrachtet. Außerdem, wenn ich hier schon eine "Erste Sätze" Rubrik aufmache, dann soll sie sich doch auch wirklich von anderen unterscheiden, sowohl inhaltlich als auch der Form halber.
Los gehts:
Zudem finde ich, es darf nicht immer nur beim allerersten Satz bleiben. Will man mehr über das Buch oder den Autor erfahren, muss man schon etwas weiterlesen. Aber muss es bei einem Zitat bleiben, auch wenn es 2-3 Sätze ausmacht. Ich glaube, damit kann man einen besseren Eindruck vermitteln, als wenn man nur den allerersten Satz betrachtet. Außerdem, wenn ich hier schon eine "Erste Sätze" Rubrik aufmache, dann soll sie sich doch auch wirklich von anderen unterscheiden, sowohl inhaltlich als auch der Form halber.
Los gehts:
„Der Axtmörder wohnte eine Treppe tiefer. Wir kannten uns, weil er ständig seinen häßlichen kleinen Hund ausführte, den ich immer streichelte, wenn ich den beiden zufällig im Hausflur begegnete.“Jonathan Carroll, 'Laute Träume', suhrkamp, 1988 (natürlich nicht mehr im Buchhandel erhältlich, dafür aber bald hier im Biblionomicon rezensiert...)
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zitate