Versailles 1678 Jean-Baptiste de La Quintine spaziert durch das mehr als 100 Hektar große Areal, das ungefähr 20 Kilometer westlich von Paris liegt und lässt seinen Blick über den neu gestalteten Park schweifen. Das von Ludwig XIII. als Jagdschloss erbaute Gebäude hat sich längst zur repräsentativen Residenz seines Sohnes gemausert. Der Park entspricht den Vorstellungen des Barock, ist opulent, verspielt, überschwänglich. Alle Elemente, die wir noch heute mit barocker Gartenarchitektur verbinden, scheinen genau an diesem Punkt ihren Ursprung zu nehmen. Die besten Ingenieure und Künstler wurden bei diesem großen Projekt mit dem Ziel vereint, dass ganz Frankreich die Strahlkraft dieses Ortes wahrnehmen sollte. Terrassen für höfische Gelegenheiten, ein Wasserkanal auf dem eine Miniaturflotte Seeschlachten austragen konnte, eine Orangerie in der exotische Früchte wuchsen, ein Labyrinth in dem man sich gern verlief, kunstvoll und symmetrisch angelegte Parterren, Bosketten für diverse Vergnügungen, zahlreiche Brunnen und vielfältige Skulpturen.
Der Garten diente nicht ausschließlich der Zerstreuung und Lustbarkeit, vielmehr stellte er eine Spiegelung des geltenden Ordnungsprinzips dar. Ludwig der XIV., seines Zeichens „Sonnenkönig“, setzte sich mit dem griechischen Gott Apollon gleich und das nicht nur aus mythologischen Gründen, sondern aus politischem Kalkül. Apollon, als Führer der neun Musen und Stifter einer universellen Harmonie, repräsentierte zugleich die politischen Ziele des Königs: Ludwig als Haupt einer christlichen Welt, die er befriedete und beherrschte. Der Garten spiegelte dieses Ordnungsprinzip wieder und war somit weit mehr als die Summe seiner – in diesem Fall botanischen – Teile.
Die Ikonographie barocker Gartenarchitektur, insbesondere die der Versailler Ausführungen, ist ein umfangreiches Thema, über das seitenweise referiert wurde. Aber ich schweife ab - dabei sind wir doch aus einem anderen Grund hier. Zurück also zu La Quintine. Mit all dem Prunk und Gloria des Parks, den Lustbarkeiten der Labyrinthe und Bosketten, hatte er wenig zu tun. Er kümmerte sich seit 1670 eher um das leibliche Wohl seines Königs, denn er war der „Direktor der Obst- und Gemüsegärten der königlichen Schlösser“.
Alte Obstspalierformen (wikipedia) |
„Der erste ist sicher, eine größere Fülle an schönen Früchten und diese sogar früher ernten zu wollen. Der zweite Grund ist, dass bei jedem Wetter der Baum viel angenehmer anzusehen sei, als wen er überhaupt nicht beschnitten wäre.“ (S. 36)
(Foto: Carsten Balke) |
„Die Erdbeere ist eine Scheinfrucht aus der Familie der Rosaceae (Rosengewächse). Aus botanischer Sicht gehört sie nicht zu den Beeren, sondern zu den Nüsschen (...). Lange Zeit im wilden Zustand verblieben, war die Erdbeere noch im Mittelalter wenig geschätzt, wie jede Frucht, die sehr nah am Boden wächst. Karl V. führte jedoch den Anbau von Erdbeeren im Garten des Louvre zu Dekorationszwecken ein. In der Renaissance beginnen die Menschen sie in der Kombination mit Wein zu schätzen. In dieser Zubereitungsweise hat der Sonnenkönig eine große Menge gegessen (...). La Quintine musste ganzjährig Erdbeeren für die Tafel des Königs liefern.“ (S. 57)
(Foto: Carsten Balke) |
Fazit: Der „Küchengarten des Königs“ ist ein wunderbarer Fundus an Informationen, die nicht nur das Gärtnerherz erfreuen, sondern jedem Leser tiefe Einblicke in die Geschichte dieses großen Gartens ermöglichen. Ein Buch, das man immer wieder zur Hand nehmen muss, um Ausflüge in die Botanik zu unternehmen.
Pierre David, Martine Willen
Der Küchengarten des Königs
Dumont Buchverlag (2011)
208 Seiten
49,95 Euro