Sonntag, 3. April 2011

Das Malen scheint genauer betrachtet weniger spannend als man allgemein meinen möchte - Elizabeth Kostova "Schwanendiebe"

Was habe ich mich gefreut, als ich den neuen Roman von Elizabeth Kostova schon vor einiger Zeit im Regal entdeckt hatte. Nach dem wirklich großartig gelungenen und atemberaubend spannenden 'Historiker' (hier im Biblionomicon besprochen "Wie Umberto Eco Unsterblichen bei der Berufswahl unter die Arme greifen würde...") nun ein weiterer Roman, der sogleich große Erwartungen weckte: "Die Schwanendiebe", eine Geschichte über....naja, anscheinend über Maler...

Soweit, so gut. Malen ist ja nicht für jedermann ein wirklich spannendes Thema. Und spannend möchte der Roman "Die Schwanendiebe" aber eigentlich auch gar nicht sein, und wenn doch...naja, dann hat Frau Kostova es leider nicht ganz geschafft, diese Spannung über die fast 700 Seiten der Geschichte wirklich zu halten. Spannung geht anders...und ich weiß, was spannend ist. Aber zuerst einmal zum Inhalt: Der Psychiater Andrew Marlow (erster Hinweis darauf, dass es sich bei diesem Namen eventuell um eine Anspielung auf den berühmten Namensvetter handeln soll, mit der ev. sogar schon Spannung aufgebaut wird) ist ein verkappter Maler, d.h. eigentlich ist er ein ganz hervorragender Psychologe, aber die Malerei hat es ihm angetan und für einen Dilettanten malt er recht passabel. Ein Kollege bittet ihn darum, den Fall des hochbegabten Malers Robert Oliver zu übernehmen, der in der National Art Gallery in Washington mit einem Messer auf ein Bild losgehen wollte, aber noch rechtzeitig dabei durch das beherzte Eingreifen des Wachdienstes gestoppt werden konnte. Aber der Patient ist alles andere als kommunikativ und zeichnet in der Psychiatrie wie besessen immer wieder nur das Bild einer einzigen unbekannten Frau. Aufgrund der Besonderheit des Falls und Marlows Vorliebe für die Malerei, beschließt er, anders als für seine übrigen Patienten dataillierte Nachforschungen über das Leben Robert Olivers anzustellen, um hinter sein Geheimnis zu kommen.
"Es kommt mir so vor", sagte mein Vater und betupfte sich die Lippen mit seiner blauen Papierserviette, "als wären all die Bilder, die er malt, Teil seiner Buße. Vielleicht entschuldigt er sich bei ihr?" (Seite 388)
Ein zweiter Erzählstrang spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dreht sich um die nahezu unbekannte Malerin Beatrice de Clerval und ihren um viele Jahre älteren Onkel und Mentor Olivier Vignot, deren kurze Schaffensperiode genau an der Grenze zur Entstehung der neuen Bewegung des Impressionismus liegt und diese in ihrem Werk bereits vorwegnimmt. Robert Oliver ist im Besitz von Beatrices privaten Briefen und so werden ihrer beiden Geschichten fortlaufend immer enger miteinander verwoben. Marlow versucht Robert Olivers Geheimnis mit Hilfe der Exfrau Kate und der ehemaligen Geliebten Mary zu lüften und Stück für Stück - aber oft leider viel zu träge - setzt sich das Puzzle vor den Augen des Lesers wieder zusammen.
"Olivier tut alles mit Anmut. Er ist ein Mann, der seinen Körper seit langem kennt und es gewohnt ist, die Dinge auf seine eigene, ruhige Weise zu erledigen. Sie sieht ihm zu und begreift in einem plötzlichem Taumel, wenn sie ihm nicht irgendwie Einhalt gebietet, wird sie sich am Ende nackt in seinen Armen wiederfinden, hier in dieser Stadt. Das ist ein erschreckender Gedanke, aber jetzt, da sie ihn einmal gedacht hat, lässt er sich nicht wieder wegschieben. Sie wird die Kraft für dieses Wort finden müssen: Non...." (Seite 472)
Dabei erfährt man überbordend viel über den allgemeinen Betrieb des Kunststudiums an mittelgroßen US-amerikanischen Colleges, den Impressionismus an und für sich sowie den Symbolismus seiner Motive in der Kunst, die Position der (verheirateten) Frau in der von Männern geprägten Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts, über extrem reiche (und uninteressante) Kunstsammler und den Schwan in der Malerei. Klingt interessant? Hätte es auf alle Fälle auch werden können, wenn Elizabeth Kostova vielleicht etwas straffer zur Sache gekommen wäre und sich nicht immer wieder in völligen Nebensächlichkeiten verfangen hätte - und ich meine hier nicht die mitunter interessanten historische Details, sondern z.B. die immer wieder in stetiger Wiederholung wiederkehrenden psychischen Probleme des Malers Robert Oliver und wie er diese durch exzessive Malerei kompensiert. Keine Frage, der Roman ist gut durchkonstruiert und die zwei Erzählstränge sind gekonnt miteinander verwoben. Aber die aufgebaute Spannung gleitet Kostova immer wieder aus den Händen und geht komplett verloren. Das Ende kommt dann nach zähem Ringen sehr, sehr plötzlich und der Patient wird - oh Wunder - nach zwei Sätzen des Psychiaters als 'geheilt' entlassen. Ich bin ja ein sehr geduldiger Leser, aber wenn ich etwas nicht nicht mag, dann sind es Ungereimtheiten, die beim Lesen wie ein bitterer Geschmack auf der Zunge zurückbleiben, so dass ich dieses Buch wirklich nur bedingt und wenn, dann wenn möglich nur an 'Hobbymaler', weiterempfehlen kann.

Fazit: Große Erwartungen über die Gebühr ausgereizt und breit getreten. Wie sagt schon Goethe: 'Getretner Quark wird breit, nicht stark'. Nur bedingt weiterzuempfehlen....

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