Aber halt, das Buch bietet ja noch viel mehr. Es fängt tatsächlich mit DER WELT als Ganzes an, d.h. dem Kosmos (den schon Alexander von Humboldt als Titel für sein epochales Werk wählte...übrigens auch sehr zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang auch Daniel Kehlmanns Roman 'Vermessung der Welt', der hier schon besprochen wurde). Es beginnt also mit dem Universum, unserem Sonnensystem, unserer und der Geschichte ihrer Entdeckung und 'Vermessung'. Wie groß ist die Welt? Eratosthenes von Kyrene lag im 3. Jahrhundert vor Chr. mit seiner ersten Abschätzung -- er verglich den Schattenwurf an zwei verschiedenen Orten und schloß darauf auf den Erdumfang -- gar nicht so schlecht. Von der Astronomie und Astrophysik führt uns Bryson auch in die Welt der kleinsten Dinge. Moleküle (und die Gesetzmäßigkeiten der Chemie), Atome, Quarks und Quantenmechanik sind ebenso dabei wie Einsteins Relativitätstheorie. Wir werden Zeuge der Entwicklung der Geologie als Wissenschaft und schließlich gelingt es uns sogar nachzuvollziehen, wie das Alter der Erde (und des uns bekannten Universums) abgeschätzt bzw. bestimmt werden kann. Eine kleine Frage zu deren Beantwortung diverse Wissenschaftsdisziplinen beitragen mussten, um sie zu beantworten.
Aber neben den Wissenschaften der unbelebten Dinge steht auch das Leben ansich auf dem Programm. Wie kommt es dazu, dass aus unbelebter Materie Leben entstehen kann und wie verlief die Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten? Biologie und Paläontologie stehen ebenso auf dem Programm wie Carl von Linnés Taxonomie des Lebens (hier ein Blogbeitrag zum Thema aus more semantic...!) mit der er die systematische Erforschung der Vielfalt und des Artenreichtums unseres Planeten ermöglichte.
Und schließlich der Mensch. Darwin, der über seine Arbeiten über die Entwicklung der Arten die Grundlagen der Evolutionstheorie legte und der daraus entstehende Disput, ob der Mensch vom Affen abstammt. Auch der Neanderthaler und andere Vorfahren des Menschen werden uns nähergebracht. Aber das Buch versäumt auch nicht den mahnenden Zeigefinger zu heben, wenn im letzten Kapitel die vom Menschen verursachte Ausrottung ganzer Spezies angeprangert wird. Der Dodo auf Mauritius, dessen Existenz Ende des 17. Jahrhunderts ohne triftigen Grund komplett ausradiert wurde, so dass heute nurmehr 'Knochenfragmente' und ein Ei von ihm erhalten sind. Aber auch die zahllosen anderen Arten, die tagtäglich und ohne großes Aufsehen von unserem Planeten -- durch unsere eigene Schuld -- verschwinden. Nach der Lektüre des Buches sollte klar sein, dass man solch ein einmaliges und fragiles System wie unsere Welt mit Sorgfalt behandeln sollte, denn sonst sind wir vielleicht selbst schon bald Geschichte...
Eigentlich klingt die Beschreibung dieses Buches bis jetzt als wäre es nichts anderes als wieder einmal eine populärwissenschaftliche Darstellung der kompletten Naturwissenschaften. Aber Bill Bryson gelingt dies auf eine äußerst unterhaltsame Weise. Immer wieder werden wir aus der geschichtlichen Perspektive an die einzelnen Themen herangeführt. Und die Geschichte(n) einer Entdeckung oder Entwicklung sind mindestens genauso spannend wie diese selbst. Mehr noch, aus dieser historischen Perspektive erlebt man den Prozess der Entstehung neuer Wissenschaften und Theorien mit und verfolgt diese vom Standpunkt der Zeitgenossen aus. Das trägt zum einen wesentlich zum Gesamtverständnis bei und sorgt zudem auch noch für Unterhaltung -- zumal Bryson immer wieder mit entsprechenden (humorvollen) Anekdoten für Abwechslung sorgt. Besonders gefallen hat mir dabei immer die Beschreibung der (vornehmlich britischen) Exzentriker, die nebenbei auch noch große Naturwissenschaftler waren. Dabei lernen wir auch noch verstehen, dass jeder neue Theorie -- und sei sie noch so offensichtlich -- zunächst immer Steine in den Weg gelegt werden -- und das aus den verschiedensten Gründen.
Um noch einmal auf Alexander von Humboldt zurückzukommen...ihm zur Folge durchläuft jede wissenschaftliche Entdeckung drei Phasen: Als erstes wird allgemein abgestritten, dass sie wahr sein könnte, dann wird geleugnet, dass die Entdeckung irgendwie bedeutend sein könnte, und zu guter letzt wird sie der falschen Person angerechnet, die dafür gefeiert wird....
Fazit: Wenn man sich schon immer mal einen Überblick über die Naturwissenschaften verschaffen wollte -- und dabei auch an den beteiligten Wissenschaftlern als Person interessiert ist -- aber auch wenn man wissenschaftliche Anekdoten liebt, ist man mit diesem Buch gut beraten. Zudem -- und das ist bei populärwissenschaftlichen Büchern eher selten -- wartet das Buch mit einer fundierten Bibliografie auf. Ich selbst habe die englische Originalversion gelesen und fand sie wirklich sehr unterhaltsam. Also, auf alle Fälle lesen!
Links:
- more semantic...! : Taxonomy...it's a battleground
- more semantic...!: Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt
- Rezension zu Bill Brysons Kurze Geschichte von fast allem in Literaturschock
- Rezension zu Bill Brysons Kurze Geschichte von fast allem bei perlentaucher.de
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