Ähnlich wie Kafkas Novellen hing mir Stefan Zweigs posthum erschienene Schachnovelle als dauerinterpretiertes Schullektürewerk lange Zeit ziemlich zum Hals heraus. Aber schließlich habe ich sie dann doch mal wieder gelesen. Geht ja auch schnell....im Urlaub sollte das Büchlein locker an einem Nachmittag zu verdauen sein :)
Die Geschichte ist an sich ganz schnell erzählt: An Bord eines Passagierdampfers treffen der amtierende Schachweltmeister und ein Unbekannter Schachspieler aufeinander und spielen zwei Partien miteinander, wobei der Unbekannte die erste Partie gewinnt. Das wäre alles in allem ja noch nicht so bemerkenswert. Aber Zweig erzählt zunächst die Biografie des Schachweltmeisters Czentovic, der als eher minderbemittelter Waise in der Obhut eines Pfarrers zu einem ungebildeten, langsamen Bauern aufwächst, bis er eines Tages mehr zufällig sein Talent als Schachspieler entdeckt und die entsetzte Fachwelt mit seiner Primitivität und Arroganz vor den Kopf stößt. Der dagegen kultivierte und intelligente Unbekannte hat ein Martyrium ganz anderer Art hinter sich. Vor dem Anschluss Österreichs ans "Reich" war er Vermögensverwalter des österreichischen Adels. Die Nationalsozialisten, die an seinem Wissen interessiert waren, setzten ihn monatelang ohne jegliche Möglichkeit der Ablenkung in einem Hotelzimmer fest, um seinen Willen zu brechen und um an sein Wissen zu gelangen. Aus der Not heraus stiehlt er einem Aufseher ein Buch, dass sich als Sammlung berühmter Schachpartien erweist, die er von nun an im Geiste nachspielt, um so möglichst nicht verrückt zu werden. Nachdem er die Partien aber in- und auswendig kennt, verfällt er darauf, Partien gegen sich selbst zu spielen und entwickelt eine Art Persönlichkeitsspaltung: Er fällt in ein "Schachfieber"....
Während der Unbekannte alles stets vor seinem inneren Auge sieht (eingesperrt in sein Hotelzimmer gab es kein Schachachspiel), benötigt Czentovic stets das physische Schachbrett vor sich, um spielen zu können. Nachdem der Unbekannte die erste Partie gegen den Schachweltmeister gewinnt, lässt er sich entgegen seiner Überzeugung und seiner ursprünglichen Vorsichtsmaßnahmen, um nicht erneut wieder in ein "Schachfieber" zu fallen, dennoch auf die geforderte Revanche ein. Allerdings spielt Czentovic, der die Nervosität seines Gegenübers bemerkt hat, betont langsam, so dass der Unbekannte aus dem Takt gerät und Spiel und Realität im Zustand seines erneuten "Schachfiebers" nicht mehr unterscheiden kann....
Fazit: Spannend und kurzweilig geschrieben, macht diese Novelle auch Nicht-Schachmeistern großes Vergnügen. Insbesondere, wenn man auch die gelungene Verfilmung mit Curd Jürgens als Unbekannten und Mario Adorf als Czentivic kennt, die ihre Charaktäre congenial verkörpern.
Links: