Donnerstag, 28. August 2008

John Boyne: The Boy in the Striped Pajamas (Der Junge im gestreiften Pyjama)

Urlaubszeit, Lesezeit. Daher auch die aktuelle Häufung von Blogposts hier in Biblionomicon. Eines der Bücher, das ich in der vergangenen Woche im Strandkorb an der Ostsee gelesen habe, ist John Boynes "The Boy in the Striped Pyjamas" im englischen Original.
Ich hatte vor einigen Wochen noch in Jena die Buchhandlungen durchstreift, da mein Geburtstag kurz bevor stand und ich mich - natürlich - gerne mit Büchern beschenken lasse. Vor dem Regal mit der englischsprachigen Literatur fiel mir der kleine gestreifte Band ins Auge und die "Nichtbeschreibung" des Inhalts auf dem Cover machte mich erst recht neugierig...

"The story of "The Boy in the Striped Pajamas" is very difficult to describe. Usually we give some clues about the book on the cover, but in this case we think that would spoil the reading of the book"


OK, das sagt ja noch nicht allzuviel aus. Aber neugierig war ich allemal und habe das Buch auf meine Wunschliste gesetzt. Jetzt stehe ich natürlich vor der schwierigen Aufgabe, mehr über das Buch zu sagen, als es der Verlag auf dem Cover gewagt hat, ohne dabei jedoch das bevorstehende Lesevergnügen zu schmälern. Versuchen wir es einfach einmal: Bruno ist neun Jahre alt, hat eine ältere Schwester Gretel und lebt zusammen mit seinen Eltern und Dienstpersonal in einer Berliner Villa. Wir schreiben das Jahr 1943. Brunos Vater bekommt eine neue verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die den Umzug der Familie aus der angenehmen und luxuriösen Umgebung erfordert. Wir erleben diese Zeit aus Brunos Perspektive, also mit den Augen und dem Verstand eines Neunjährigen. Natürlich ist es da für uns nicht leicht zu verstehen, was in der Erwachsenen passiert... (Wer jetzt nicht mehr über das Buch erfahren möchte, sollte die folgenden Absätze überspringen. Ich werde aber nichts darüber verraten, wie das Buch endet. Lediglich die tatsächliche Szenerie werde ich versuchen zu erläutern...)

Brunos Vater ist SS-Offizier. Nach einem Besuch des "Führers" (natürlich kennt Bruno das Wort "Führer" noch nicht, daher ist er beim ihm lautmalerisch einfach "the Fury") wird Brunos Vater die Aufgabe übertragen, als Kommandant des Vernichtungslagers Ausschwitz in Polen zu wirken ("Out-Witch" ist der Name des Ortes gemäß Brunos Weltsicht). Die Familie nimmt den berufsbedingten Umzug auf sich und diese neue Welt ist für Bruno so signifikant anders als alles, was er bis dahin kennt. Natürlich wohnt der Kommandant außerhalb des eigentlichen Lagers. Brunos Welt ist daher durch einen hohen Stacheldrahtzaun vom Lager getrennt. Aber es gibt in Brunos neuer Welt keine gleichaltrigen Freunde. Eines Tages macht er sich auf zu einer Erkundungsexkursion entlang des Zaunes und stößt auf einen kleinen Jungen auf der anderen Seite des Zauns.

"The dot that became a speck that became a blob that became a figure that became a boy..."


Shmuel heißt der kleine Junge und er trägt einen seltsamen gestreiften Pyjama, genau wie alle anderen auch jenseits des Zaunes. Bruno und Shmuel werden Freunde, aber diese Freundschaft ist alles andere als eine gewöhnliche Freundschaft. Doch das Leben am Rande des Lagers hinterlässt auch auf den anderen Familienmitgliedern deutliche Spuren. Brunos Mutter beschließt mit den Kindern zurück nach Berlin zu gehen, was auch das Ende von Brunos und Shmuels Freundschaft bedeutet. Da fasst Bruno einen gewagten Plan, um ein einziges Mal tatsächlich mit seinem Freund Shmuel nicht nur zu reden, sondern richtig zu spielen, und er wagt den Schritt über den Zaun.....

Das Buch ist an dieser Stelle noch nicht zu Ende, und das Ende, das folgt, wird dem Leser auch noch nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Das Interessante an diesem Buch ist natürlich die kindliche Perspektive auf Seiten der "Täter". Bruno versteht die Welt der Erwachsenen noch nicht und erlebt Ungerechtigkeiten, Schikanen und Drangsalierung der Opfer aus seinem natürlichen und kindlichen Bewusstsein für Recht und Unrecht. Interessant, dass er auch gar nicht weiss, was der Begriff "Jude" bedeutet. So bewegt sich der Leser auf den Spuren eines Neunjährigen durch das unsägliche Grauen eines Teils des vielfach verdrängten nationalsozialistischen Alltags. Der Band ist kurz und fesselt für einen Urlaubstag, allerdings benötigt es doch noch geraume Zeit, um den Inhalt tatsächlich zu verdauen. Der Perspektivwechsel weckt die eigenen Gedankengänge, wirft Fragen auf und beschäftigt noch lange im nachhinein. Trotz der Kürze und der kindlichen Perspektive gelingt es dem Autor, die Figuren prägnant und mitunter tiefgründig zu charakterisieren. Die englische Originalausgabe ist einfach geschrieben, leicht zu verstehen, auch ohne ein Wörterbuch zu Rate ziehen zu müssen. Sehr schön sind vor allem auch die Wort- und Lautspiele Brunos, mit denen er versucht die Begriffe aus der Erwachsenenwelt, die er noch nicht kennt, zu benennen. Ich weiss leider nicht, wie diese in der deutschsprachigen Ausgabe umgesetzt wurden.

Fazit: Ein eindringliches kurzes Werk, dass eine aus unzähligen Fernsehdokumentationen bekanntes Bild aus einer ungeahnten Perspektive zeigt und daher zum Nachdenken anregt. Lesen lohnt sich!!!!

P.S. Jetzt wurde das Buch auch noch verfilmt. Mehr Informationen zum Film inklusive einem Trailer gibts hier. In Deutschland soll der Film aber erst im April 2009 anlaufen...

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