Briony Tallis ist der Name des Mädchens, das die Schuld an der ganzen 'Misere' trägt, die sich im Verlauf der Handlung von Ian McEwans Roman 'Abbitte' ergibt. Die Handlung spielt in den 30er Jahren der Vorkriegszeit in England. Wir erleben einen Sommertag auf dem Anwesen der Familie Tallis. Briony verzweifelt an den Vorbereitungen der Inszenierung eines selbstgeschriebenen Theaterstücks (ein kitschiges und naives Ritter-rettet-und-heiratet-schöne-Maid-Drama), das anlässlich des Besuchs ihres Bruders Leon von Briony, ihren beiden Cousins und ihrer Cousine Lola aufgeführt werden soll. Aber Briony hat sich zu viel vorgenommen. Lola und ihre beiden Brüder wurden bei der Familie Tallis untergebracht, da sich ihre Eltern gerade in der Trennungsphase befinden. Dementsprechend angespannt stellt sich das Nervenkostüm der Kinder dar und Briony muss schließlich ihre Pläne für den Abend aufgeben. Fau Tallis, Brionys Mutter, liegt mit Migräne im Bett und verfolgt die Vorgänge im Haus blind im Dunkeln und ausschließlich aus den Geräuschen heraus, die sie von ihrer Ruhestätte wahrnimmt. Brionys Vater, ein hoher Regierungsangestellter, verbringt seine Tage in London, vermutlich mit einer Geliebten.
Von ihrem Zimmer aus beobachtet Briony eine Szene am Brunnen im Garten zwischen ihrer älteren Schwester Cecilia und Robby, dem Sohn einer Hausangestellten. Cecilia möchte eine kostbare, ererbte Vase am Brunnen mit Wasser füllen, die im Laufe des Disputs mit Robby (der schon lange in Cecilia verliebt ist) zu Bruch geht. Cecilia lehnt Robbies weitere Hilfe entschieden ab, und entledigt sich zur Bergung der kostbaren Scherben ihrer Kleidung, um in nahezu durchsichtiger Unterwäsche in den Brunnen zu steigen und unterzutauchen. In Brionys überspannter Phantasie gibt es für das Gesehene zunächst keine Erklärung.
Auch Robbie, der zusammen mit den Tallis-Kindern Cecilia, Briony und Leon aufgewachsen ist, ist zum Abendessen im Hause Tallis eingeladen. Um sich zu entschuldigen will Robby einen Brief schreiben, den er Cecilia noch vor dem Abend zukommen lassen will. Aber er tippt auf seiner Schreibmaschine nicht nur einen Entschuldigungsbrief. Die erste Fassung vielmehr ist in kurzen, nahezu brutalen Worten Ausdruck seines Verlangens und seiner Begierde nach Cecilia. Natürlich verwirft er diesen Brief und tippt noch eine gesellschaftlich 'korrekte' Version. Aber mit der Verwechslung der beiden Briefe nimmt das Drama seinen Lauf.
Auf dem Weg vom Gärtnerhaus zum Herrschaftshaus trifft Robbie Briony und übergibt ihr den Brief an ihre Schwester. Aber Briony öffnet den Brief und ist von seinem Inhalt schockiert. Robbie erscheint ihr als 'gefährliches Monster', das gestoppt werden muss. Aber sie gibt den Brief ihrer Schwester. Anstelle sich schockiert abzuwenden, findet sich Cecilia in ihrer Liebe zu Robbie bestätigt...auch wenn dieser Mesalliance keine große Zukunft beschieden sein wird. Währenddessen beginnt das Abendessen. Zu Gast ist auch noch ein Freund Leons, ein steinreicher Schokoladenfabrikant. Aber da sind auch noch die Zwillinge und Lola. Aus Verzweiflung über die bevorstehende Trennung ihrer Eltern beschließen die Zwillinge fortzulaufen und die abendliche Gesellschaft bricht zu einer Suchaktion auf, in deren Verlauf es zur Katastrophe kommt. Lola wird vergewaltigt und Briony glaubt - auch wenn sie den Täter nicht wirklich erkennen kann, dass Robbie, das 'Monster', der Täter sein muss.
Robbie wird verhaftet, Cecilia bricht mit ihrer Familie, Robbie wird als einfacher Soldat in den Kriegsdienst verpflichtet. Und hier wirft uns der Autor direkt in das von den Deutschen eroberte Frankreich. Die englische Armee befindet sich im verzweifelten Rückzug nach Dünnkirchen und Robbie erlebt das Grauen des Krieges.Inzwischen ist auch Briony erwachsen geworden. Anstelle wie ihre Schwester zu studieren, verpflichtet sie sich als Krankenschwester.....um 'Abbitte' zu leisten. Auch sie hat erkannt, dass sie mit ihrer falschen Aussage damals ein großes Unglück heraufbeschworen hat.....
Natürlich werde ich hier nicht verraten, wie und ob sich der Knoten löst und wie die Geschichte enden wird. Ian McEwan ist auf alle Fälle ein bemerkenswerter Roman gelungen. Das besondere daran war für mich die Darstellung des Geschehenen aus vielen unterschiedlichen Perspektiven. Kleine Indizien bilden für alle Beteiligten einen Kontext, der das Gesehene in völlig unterschiedlichem Licht erscheinen lässt. McEwans Figuren sind fein und mit großer Sorgfalt gezeichnet. Seine Sprache ist anspruchsvoll und wunderschön zu lesen (vielen Dank an die Übersetzer!). Und die Geschichte zieht einen schon nach wenigen Seiten ganz in ihren Bann. Der Leser fiebert mit den Figuren mit, versucht das Geheimnis dieser einen Nacht zu ergründen aus den Wahrnehmungen und Eindrücken der Beteiligten und versucht zu verstehen. Nicht umsonst gewann die Verfilmung kürzlich einen Golden Globe und errang eine Oscar-Nominierung.
Fazit: Eine großartig erzählte Geschichte, aber Vorsicht! Wer einfache und leicht zu lesende Lektüre erwartet, der muss sich hier schon ein wenig anstrengen. Dafür wird man aber mit einem Leseerlebnis erster Güte belohnt. Ein Roman, wie ich ihn schon lange nicht mehr gelesen habe...
Links:
- offizielle Website zum Film
- Ian McEwans Homepage
- Ian McEwan in der Wikipedia