Freitag, 1. Februar 2008

Aschenbrödel bekommt etwas lädierten Prinzen - Charlotte Bronte: Jane Eyre

Es gilt vielen ja als eine Art "Kultklassiker" des Feminismus, andere (wohl eher Vertreter des männlichen Geschlechts) sehen in der biographischen Geschichte des Waisenkindes Jane Eyre eher eine "Schmonzette" allererster Güte. Aber beide haben meines Erachtens nach Unrecht. Jane Eyre ist ein ganz besonderer Roman, der mich schwer beeindruckt hat, und ich werden gleich ausführen, warum.

1847 ist das Buch von Charlotte Brontë erschienen, im selben Jahr übrigens, in dem ihre Schwester Emily ihre weltbekannte "Sturmhöhe" veröffentlichte. Um sich als Frau nicht den Vorurteilen der frühviktorianischen Kritiker und Rezensenten auszusetzen, veröffentlichte Charlotte ihr Werk zunächst unter dem unverfänglichen Pseudonym "Currer Bell". Die Brontë-Schwestern (Charlotte, Emily, Anne und es gab da auch noch mindestens einen Bruder -Branwell...) sind eine interessante literarische Erscheinung des 19. Jahrhunderts, die die Belletristik ihrer Zeit nachhaltig geprägt haben.

Aber kommen wir zuerst auf die Geschichte "Jane Eyres" zurück. Jane wächst als kleines Mädchen bei ihrer Tante, der Witwe Reed und deren drei Kindern auf. Auf dem Sterbebett nahm ihr der seelige Mr. Reed das Versprechen ab, das Kind seiner verstorbenen Schwester, das unter seiner Obhut stand, aufzunehmen und zu pflegen, als wäre es ihr eigenes Kind. Aber wie es meistens ist, natürlich wird das Waisenkind nicht mit der gleichen Liebe umsorgt, eher das Gegenteil ist der Fall. Die kleine Jane, gerade einmal 10 Jahre alt, ist allerhand Schikanen ausgesetzt, die darin gipfeln, dass ihre Tante beschließt, das Kind in das strenge Internat "Lowood" abzugeben, was für Jane aber eher eine Erleichterung zu versprechen scheint.

Noch glaubt sich Jane dem unerfreulichen Hause Reed entronnen, doch Mr. Bocklehurst, Geistlicher und Kurator Lowoods, brandmarkt Jane gleich am ersten Tag vor den Lehrerinnen und allen anderen Mitschülerinnen als Lügnerin. Bei ihren Mitschülerinnen allerdings verschafft die erniedrigende Strafmaßnahme für Jane sogar Pluspunkte. Die Mädchen müssen -- auf Bocklehursts Geheiss -- in Lowood mit altertümlicher und unzulänglicher Kleidung vorlieb nehmen. Schlechtes und knapp gehaltenes Essen und die Kälte rufen schließlich eine Typhus-Epidemie hervor und Herr Bocklehurst, dessen Frau und Tochter im strengen Gegensatz zu den Schülerinnen Lowoods in Prunk und Protz auftreten, muss als Kurator zurücktreten. Jane gewinnt eine liebenswerte und intelligente Freundin, die allerdings schon bald von der Schwindsucht dahingerafft wird. Schließlich findet sie in der Erzieherin Miss Temple ein Vorbild, das sie verehrt und dem sie nacheifern kann. So wird sie am Ende sogar selbst Lehrerin.

Als Miss Temple heiratet und die Schule verlässt, hält es auch Jane nicht mehr in Lowood und sie bewirbt sich auf eine Stellenanzeige als Gouverante in einem vornehmen Haushalt. "Thornfield" ist der Name des Herrenhauses, das einen neuen Abschnitt in Janes Leben einläutet. Dort soll sie sich um das Mündel des unverheirateten Mister Rochester kümmern, den sie zunächst erst einmal nicht zu Gesicht bekommt. Als er auf der Bildfläche erscheint, wird er als roh und mürrisch, von athletischer Statur und im eigentlichen Sinne alles andere als "schön" beschrieben. Aber es wäre ja auch ein Wunder, wenn es der klugen Jane nicht gelänge, auch den spröden Mister Rochester für sie einzunehmen. Als eine vornehme Gesellschaft für einige Zeit in Thornfield zu Gast ist, erlebt Jane, wie Mr. Rochester dem schönen Fräulein Ingram den Hof macht und jeder glaubt, dass sie es sein wird, die einmal die zukünftige Mrs. Rochester werden wird. Währenddessen gehen aber auch geheimnisvolle Dinge vor. Stimmen aus dem Obergeschoss, Mr. Rochesters Bett wird von einem Unbekannten in Brand gesetzt und Jane gelingt seine Rettung in letzter Sekunde. Ein alter Freund von Mr. Rochester wird von einer Person aus den oberen Stockwerken schwer verletzt. Eine verzwickte Situation, deren Aufklärung sich lange hinzieht, die aber nichts desto trotz in einem Eklat mündet, der Janes Leben wieder in eine völlig neue Richtung wirft.

Wieder beginnt sie ein neues Leben und wieder gelingt es ihr, eine neue Situation zu meistern. Aber diesen und den noch folgenden Teil der Geschichte darf ich an dieser Stelle nicht preisgeben, da ich sonst die Spannung völlig zunichte machen würde.

Was mich nachhaltig an Charlotte Brontës Roman begeistert hat, ist die Liebe zum Detail, mit der sie ihre Figuren zu gestalten weiß. Ausgefeilte Dialoge, emotionale Schilderungen von Situationen und Geschehnissen, eine ausgesuchte Sprache und die wunderbare Langsamkeit der viktorianischen Erzählkultur. Dabei weht auch ein gehöriges Stück von "Gothic Novel" durch die Seiten, auch wenn bis auf eine "Telepatie-Episode" (zugegebenermassen ist meine Benennung dieser Szene etwas weit hergeholt...) am Ende alles eigentlich mit "rechten" Dingen zugeht. Man fiebert in allen Umständen zusammen mit der unscheinbaren, explizit als "nicht hübsch" dargestellten, aber intelligenten Jane mit, die es immer wieder schafft, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Niemand soll über sie und ihr Leben bestimmen, wenn sie es nicht will, und das auch nur zu ihren Bedingungen. Hart....zugegeben....aber konsequent. Dazu kommen natürlich allerlei glückliche Fügungen und zum Ende gar ein 'viktorianisch' übliches Happy Ending. Aber obwohl Handlung und Figuren in einer uns allzu fernen Epoche spielen, erscheint uns Jane als "eine von uns". Sie ist emanzipiert (auch wenn es das Wort in diesem Zusammenhang zu dieser Zeit noch gar nicht gab) und das Buch kommt auch keineswegs moralisierend oder mit allzuviel and Gesellschaftskritik oder Zeitkolorit daher. Vielmehr ist es eine mehr oder minder zeitlos schöne Geschchte.

Fazit: Ein beeindruckendes Buch, für das man sich Zeit und Muse nehmen sollte. Speziell etwas für Leseratten und tatsächlich ein wahres Kontrastprogramm zu den "Sturmhöhen" der Schwester Emily. Lesen!!

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